Kolumne # 634 vom 16.02.2013: Präsident ohne Substanz

16.02.13 (von maj) Die Loyalität der treuesten Wähler Obamas wird auch in dessen zweiten Amtszeit nicht belohnt

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 40 – 16./17. Februar 2013

Eines nicht allzu fernen Tages wird die Regierungszeit von US-Präsident Barack Obama vorüber sein und in die Annalen der US-amerikanischen Geschichte Einzug halten. Seine achtjährige Amtszeit wird schneller zu Ende sein, als wir uns das heute vorstellen können. Barack Obama, Sohn einer weißen Anthropologin aus Kansas und eines Kenianers, der ab 1961 mit einem Stipendium im US-Bundesstaat Hawaii Wirtschaftswissenschaften studierte, war derjenige Kandidat für das Amt des US-Präsidenten, dem man 2008 die geringsten Chancen einräumte. In knapp vier Jahren wird er sein Amt an seinen Nachfolger übergeben. Obama wird dann sicher Geschichte geschrieben haben, die genau aus dem Stoff ist, aus dem Bücher und Trivialstorys über große Präsidenten sind.
Aber es wird auch noch eine andere Art der Geschichte geschrieben worden sein. Eine, die sich im stillen ereignet. Die Geschichte des schwarzen Amerika, die nicht auf Papier geschrieben wird, sich vielmehr in Menschenseelen niederschlägt. Dieser Geschichte wird man sich nicht als der besten, sondern eher der schlechtesten aller Zeiten erinnern, weil sie von Arbeitslosigkeit, Schulverweigerung, Zwangsräumungen und Masseninhaftierungen geprägt ist. Rückblickend wird all das und jedes einzelne dieser Probleme für sich genommen Steigerungsraten aufweisen, und paradoxerweise wird ausgerechnet Obamas Amtszeit für die sich verschlechternde Lage in den schwarzen Gemeinden stehen. Nach acht Jahren wird das Leben von Afroamerikanern in jeder Hinsicht stärker von Unsicherheit, Mühsal, Belastung und Gewalt gezeichnet sein.
Nun wird manch einer einwenden, daß die Sorgen des schwarzen Amerika nicht Obamas Problem sein sollten, denn schließlich ist er ja der Präsident aller US-Amerikaner. Gegen dieses Argument spricht, daß gerade die Afroamerikaner von all seinen Wählern die treuesten waren. Warum sollen ausgerechnet sie, die ihn am meisten unterstützt haben, am wenigsten von allen abbekommen? Was für eine politische Logik ist das? Und welche andere Wählergruppe würde das wohl einfach hinnehmen?
US-Bürger afrikanischer Herkunft blicken auf eine lange und qualvolle Geschichte ihrer Loyalität gegenüber Institutionen, die diese Loyalität nicht erwidern: Kolonialregierungen, politische Parteien, Militär, Regierungen der US-Bundesstaaten bis hin zu Präsidenten – ja, sogar einem schwarzen! Sie sind Symbole der Macht, aber wenn es ihnen an Substanz fehlt, dann sind sie nur noch hohl. So wie die jetzigen.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 23.11.2024 um 15:25:34 Uhr