Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 251 – 27./28. Oktober 2012
Es war ein Tag, wie er nur selten vorkommt. Eine Gruppe von Abgeordneten hielt eine öffentliche Anhörung ab. Aber nicht über irgendein Thema, sondern über Isolationshaft. Und nicht an irgendeinem Ort dieser Welt, sondern in Pennsylvania. Denn dieser US-Bundesstaat weist die höchste Zahl von Minderjährigen auf, die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurden. Kein anderer Bundesstaat der USA kann mit einer annähernd hohen Statistik aufwarten, und nirgendwo auf dieser Welt gibt es ein Land mit einer vergleichbaren Rechtsprechung. Pennsylvania ist ein Staat, in dem Tausende von Menschen in Isolationshaft gehalten werden – für Jahre, Jahrzehnte oder bis an ihr Lebensende!
Einer der betroffenen Gefangenen ist Russell Maroon Shoatz. Während sein 69. Geburtstag immer näher rückt, kommt bald auch der Tag, an dem er volle 30 Jahre in Isolationshaft sitzt, dem sogenannten Loch. Seine mutige Tochter Theresa kämpft seit vielen Jahren tapfer für ihren Vater und setzt sich zusammen mit ihrer ganzen Familie dafür ein, daß die drakonischen Haftbedingungen, denen Maroon Shoatz unterworfen ist, endlich aufgehoben werden.
Als Theresa ihre Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuß machte, brach sie mit dem stillschweigenden Übereinkommen, wie solche Veranstaltungen mit »Würde und Anstand« über die Bühne gebracht werden. Sie tat es auf eine Weise, mit der niemand gerechnet hatte. Zunächst beschrieb sie eindrücklich, wie sie als Kind in dem Bewußstsein aufwuchs, daß ihr Vater im Gefängnis tagtäglich qualvollen Haftbedingungen ausgesetzt war. Dann zog sie eine große Plastiktüte mit Medikamenten aus ihrer Tasche und knallte sie auf den Tisch. Dazu erklärte sie den Abgeordneten, wenn sie sehen wollten, welche Auswirkungen der Kampf für ihren Vater bis heute für sie habe, dann müßten sie sich nur diese unglaubliche Menge verschreibungspflichtiger Medikamente ansehen. All diese Pillen habe sie einnehmen müssen, um ihre mit dem Psychostreß verbundenen Erkrankungen zu behandeln und um einigermaßen mit der Situation klarzukommen.
Beobachter der Anhörung berichteten hinterher, Theresas Auftritt habe alle Anwesenden sehr betroffen gemacht. Doch trotz solcher menschlich ausdrucksstarken Aussagen über die Auswirkungen staatlicher Folter auch auf die Angehörigen von Gefangenen sind selbst gutwillige Politiker allein nicht in der Lage, etwas an der prekären Situation hinter den Gefängnismauern zu ändern. Dazu braucht es Massenbewegungen, die sich dem Ziel verschreiben, die Isolationshaft endlich abzuschaffen.
Übersetzung: Jürgen Heiser