Bradley Manning: Farce im Fort

24.07.12 (von ivk-jw) Sechste vorgerichtliche Anhörung im Fall Bradley Manning. Vorsitzende Richterin verweigert der Verteidigung die Verteidigung

Aus: junge Welt Nr. 170 – 24. Juli 2012 / Von Jürgen Heiser

In der vergangenen Woche fand in Fort Meade, Maryland, die sechste vorgerichtliche Anhörung im Fall des als »Whistleblower« angeklagten Obergefreiten der US-Armee Bradley Manning statt. Thematisiert wurden während der fünftägigen Verhandlung die seit Mai 2010 andauernde Untersuchungshaft und die Bedingungen, denen der heute 24jährige Manning zu Beginn seiner Haft fast neun Monate lang im Marinestützpunkt Quantico, Virginia, ausgesetzt war. Amnesty International und der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Juan Mendez, hatten die Isolierung des Soldaten scharf gerügt. Internationale Proteste hatten schließlich seine Verlegung in das Militärgefängnis von Fort Leavenworth in Kansas und eine Lockerung der Haftbedingungen bewirkt.
Die vorsitzende Richterin Oberst Denise Lind lehnte den Antrag der Verteidigung ab, Mendez während der für den 27. bis 31. August geplanten nächsten Anhörungstermine als Zeugen zuzulassen. Mendez könne nicht gestattet werden, über die Haftbedigungen des Angeklagten zu sprechen, so Lind, da er »Manning nicht persönlich besucht hat«. Alle Versuche Mendez’, einen unüberwachten Besuch bei Manning genehmigt zu bekommen, wie es für seine Amtsführung üblich ist, waren jedoch am Pentagon gescheitert. Mannings Hauptverteidiger David Coombs sieht in der Verhinderung der Zeugenaussage Mendez’ eine Fortsetzung der Strategie, jede offizielle Kritik an der langen Untersuchungshaft seines Mandanten und seiner »grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung«, wie das Ergebnis der 14monatigen Untersuchung durch den UN-Sonderbeauftragten lautete, aus dem Verfahren herauszuhalten. Coombs kündigte jedoch an, das Thema in der Anhörung Ende Augst zur Sprache zu bringen. Mit Blick auf Artikel 13 des US-Militärgesetzbuches, der jede Bestrafung vor einem Prozeß verbietet, will er erneut die Einstellung des Verfahrens fordern.
In einem weiteren Streitpunkt gab Oberst Lind ebenfalls die Richtung vor. Sie wird der Verteidigung nicht erlauben, den Nachweis zu erbringen, daß die Veröffentlichung der US-Dokumente, die Manning an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet haben soll, der nationalen Sicherheit der USA keinen Schaden zugefügt habe. Auf die Gefährdung der nationalen Sicherheit stützt Staatsanwalt Ashden Fein vor allem den Tatvorwurf »Unterstützung des Feindes«, durch den Manning lebenslange Haft droht. Richterin Lind erklärte, diese Frage sei für den Nachweis von Mannings Schuld oder Unschuld irrelevant. Mit ihrem Beschluß blockt Lind die Verteidigung in ihrem Bemühen ab, den Mandanten als »Whistleblower« vor Bestrafung zu schützen, dessen einziges Bestreben gewesen sei, »die Öffentlichkeit zu unterrichten«. Fein hielt am Argument der Gefährdung fest und erklärte, die Veröffentlichung der Dokumente »könnte« der Sicherheit des Landes »irgendwann in der Zukunft« Schaden zufügen.
Die Verteidigung vertritt auch in der Frage, ob ihr Mandant als Nachrichtenanalyst zur Nutzung der Computernetzwerke der US-Armee autorisiert gewesen sei, einen völlig anderen Standpunkt als die Anklage. Dies führte in den letzten Tagen der Anhörung zu längeren Debatten zwischen beiden Parteien, da das Pentagon der Meinung ist, Manning habe »sich unerlaubt Zugang verschafft«. Schlösse sich das Militärgericht dem in der kommenden Hauptverhandlung an, wäre bereits Mannings Sichtung von archivierten Dokumenten ein krimineller Tatbestand. Anwalt Coombs hielt der Anklage entgegen, sein Mandant sei durch seine Aufgabenstellung zur Recherche in den Computernetzwerken umfänglich autorisiert gewesen und habe sich damit folglich nicht strafbar gemacht.
Beobachtet von Thomas Drake, Exmitarbeiter der National Security Agency und einer der fünf »Whistle­blower«, die neben Manning von der Obama-Regierung verfolgt werden (jW berichtete), fand die Anhörung nur wenige Tage vor dem morgigen 25. Juli statt, an dem sich zum zweiten Mal die Veröffentlichung der Afghanistan-Kriegsprotokolle jährt. Wikileaks hatte damit vor allem die Angaben der US-Regierung über »geringe« Zivilopfer in der Region Lügen gestraft.


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Stand: 22.11.2024 um 00:10:09 Uhr