Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 133 – 9./10./11. Juni 2012
Wer heute in den USA als Schüler eine Highschool besucht, der erfährt im Unterrichts kaum etwas über die Geschichte der Black Panther Party (BPP), einer der bedeutendsten radikalen Organisationen des 20. Jahrhunderts. Einer der Gründe dafür ist, daß nur wenige Lehrer sich trauen, die Geschichte der Partei im Unterricht zu behandeln. Zu sehr stehen sie unter dem äußerst repressiven Druck, den Stoff ihrer Lehrpläne zu vermitteln und dann in einer Flut von Tests zu prüfen, ob die Schüler etwas gelernt haben. So wird sichergestellt, daß die Lehrer, aus Furcht zu versagen, den Rahmen der von oben vorgegebenen Lehrpläne nicht verlassen.
Sollte doch der eine oder andere Lehrer Interesse verspüren, diese einflußreiche Periode der afroamerikanischen Geschichte im Unterricht durchzunehmen, dann reicht es eigentlich, die kürzlich veröffentlichte Autobiographie »Panther Baby« von Jamal Joseph zu lesen. Der Autor war Mitglied der New Yorker Ortgruppe der BPP, aber ein Mitglied, das sich von vielen anderen durch sein Alter unterschied. Denn er war erst 15 Jahre alt und besuchte noch die Highschool. Damit war er nicht nur in der Stadt, sondern im ganzen Staat New York das jüngste Mitglied der Partei.
Dankenswerterweise hat er sein Buch auch aus der Sicht eines Teenagers verfaßt. Genauso beschreibt er auch die Wahl der verschiedenen Möglichkeiten, die sich ihm damals boten. Nicht selten waren seine Entscheidungen von den aufwallenden Gefühlen der damaligen Zeit beeinflußt. Warum trat er gerade der Black Panther Party bei und nicht anderen Gruppierungen? Interessant in diesem Zusammenhang, was seine Pflegegroßeltern über seinen Parteibeitritt dachten. Sie waren alte Gefolgsleute von Marcus Garvey, dem Gründer der Universal Negro Improvement Association (UNIA), der Anfang des 20. Jahrhunderts die Nachfahren der afrikanischen Sklaven wieder zurück nach Afrika führen wollte. Gerade dieser Teil von Jamal Josephs Geschichte ist humorvoll und einfühlsam zugleich, denn obwohl sie nicht seine leiblichen Großeltern waren, liebten sie Jamal von Herzen und sorgten sich um ihren Jungen, der sich mit den Black Panthers herumtrieb – mit Leuten also, die offen gesprochen damals als durchgeknallt angesehen wurden.
Jamals Lebensgeschichte ist auch die Geschichte sozialer Bewegungen, die es in ihrer Blütezeit schaffen können, ihren Aktivisten neue Möglichkeiten und Chancen zu eröffnen. Im nächsten Moment können sie aber auch wie von einer Welle weggeschwemmt werden, und das, was sich zu Höhen aufgeschwungen hat, geht zu Boden und bleibt im Schlamm zurück. Inmitten dieses herzzerreißenden Zyklus von Liebe und Verrat gelang es Jamal Joseph, seine Stärken in sich zu entdecken, sich aus dem Morast zu erheben und für sich einen Lebensweg zu finden, der vom Dienst an seinen Mitmenschen und von Aussöhnung geprägt war und ist. »Panther Baby« ist deshalb ein berührendes und wunderschönes Dokument der Veränderung, das hoffentlich viele junge Leute erreichen wird.
Übersetzung: Jürgen Heiser