Aus: junge Welt Nr. 56 – 6. März 2012 / Von Jürgen Heiser
Jorge dos Santos, der 1943 als George Wright in Halifax im US-Bundesstaat Virginia geboren wurde und später in der US-amerikanischen Black Panther Party (BPP) aktiv war, wird endgültig nicht von Portugal an die Vereinigten Staaten ausgeliefert. Nachdem der Oberste Gerichtshof Portugals im Dezember 2011 einen Berufungsantrag des US-Justizministeriums mit der Begründung abgelehnt hatte, dos Santos sei seit zwei Jahrzehnten Bürger des Landes und der gegen ihn vorgebrachte Strafanspruch der USA verjährt, wäre als letztes Rechtsmittel eine Beschwerde beim portugiesischen Verfassungsgericht möglich gewesen. Washington ließ die in der vergangenen Woche abgelaufene Frist jedoch verstreichen, ohne das höchstrichterliche Urteil anzufechten. »Der Fall ist damit abgeschlossen«, erklärte der Lissabonner Oberrichter Luis Maria Vaz das Neves gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
Der Afroamerikaner Wright war im August 1970 zusammen mit drei Mithäftlingen aus einem Gefängnis in New Jersey ausgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sieben einer auf 15 bis 30 Jahre festgesetzten Haftstrafe wegen eines Raubüberfalls auf eine Tankstelle verbüßt, bei der ein Tankwart von einem Mittäter erschossen worden war. Nach seiner Flucht entführte er 1972 gemeinsam mit vier Militanten eine Maschine der Delta Airlines, um sich in Algerien der internationalen Sektion der BPP anzuschließen. Erst nach 41 Jahren wurde er 2011 durch Zielfahnder der US-Bundespolizei FBI aufgespürt, die ihn in dem portugiesischen Bürger Jorge dos Santos identifizierten.
Die rechtliche Situation, die dos Santos nun vor dem Zugriff des FBI schützt, erläuterte der ehemalige US-Bundesankläger Michael Wildes am Freitag gegenüber dem US-Fernsehsender Fox. Diese sei Folge des 1908 von den USA und Portugal ratifizierten bilateralen Auslieferungsabkommens. Darin sei festgelegt, daß eine Überstellung dann zu verwehren sei, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Straftat mit etwas »von politischer Natur« verbunden sei, so Wildes. Auf die Frage des Fox-Moderators, ob US-Fahnder nicht einfach nach Portugal gehen, Jorge dos Santos »nachts schnappen und gewaltsam außer Landes schaffen« sollten, mahnte Wildes zur Zurückhaltung. Die US-Regierung müsse hier von anderen Fakten ausgehen. US-Behörden hätten »Verjährungsfristen mißachtet«. Deswegen stehe ein solches Vorgehen für die US-Regierung »nicht auf der Tagesordnung«. Es könne auch den »Krieg gegen den Terrorismus und die Zusammenarbeit, die wir mit diesen Ländern brauchen« gefährden, sagte er mit Blick auf den NATO-Partner Portugal. Außerdem, so der US-Jurist, dürfe man die rechtlichen Feststellungen der portugiesischen Justiz nicht außer acht lassen. Danach habe George Wright alias dos Santos bei dem Überfall auf die Tankstelle 1962 »nicht den Finger am Abzug« gehabt. Er könne also nicht als »Mörder« ausgeliefert werden. Außerdem mache Portugal geltend, bei der Flugzeugentführung seien »politische Motive« im Spiel gewesen.
»Also ist die Sache jetzt für die USA gelaufen?« war die abschließende Frage der Co-Moderatorin im Fox-Studio. Leider müsse er das bejahen, antwortete Wildes. »Die Regierung dort und unsere Bundesregierung haben das klargestellt«.