Aus: junge Welt Nr. 48 – 25./26. Februar 2012 / Von Jürgen Heiser
Der Prozeß gegen den mutmaßlichen »Whistleblower« Bradley Manning soll nun doch erst im August 2012 beginnen, drei Monate später als zuletzt angekündigt. Dies gab am Donnerstag nachmittag (Ortszeit) die US-Militärjustiz in Fort Meade, Maryland, bekannt. Im Beisein des seit Mai 2010 inhaftierten Obergefreiten und vor zahlreichen Unterstützern im Zuschauerraum erhob der Militärstaatsanwalt formal Anklage gegen den Nachrichtenanalysten der US-Armee. Die Anklageschrift umfaßt 22 Straftatbestände, darunter unrechtmäßiges Veröffentlichen von Geheiminformationen im Internet (Wikileaks), Entwendung von staatlichem Eigentum und Dokumenten, unerlaubte Übermittlung von verteidigungsrelevanten Informationen und Betrug mittels Computern. Der Hauptvorwurf »Unterstützung des Feindes« soll nach dem Willen des Pentagon schon allein mit lebenslanger Haft geahndet werden.
Bradley Manning nahm in Uniform an der Anhörung teil und antwortete knapp auf die Fragen der Vorsitzenden Militärrichterin, Oberst Denise Lind. Die Verteidigung stellte sechs Anträge, in denen es um die Öffentlichkeit im gerichtlichen Vorverfahren, die Einführung von Verschlußsachen in das Verfahren und zwingende Gründe für die öffentliche Verhandlung über dieselben ging. Der Staatsanwalt stellte nur einen Antrag, der den Schutz von Regierungsdokumenten betrifft, die in die Hände der Verteidigung gelangen. Die Entscheidung über die Anträge beider Parteien vertagte das Gericht auf den 15. und 16. März.
Bei der Verkündung der Vertagung durch Oberst Lind kam es laut einer AP-Meldung zu einem kurzen Zwischenfall. »Richterin, hat ein Soldat nicht die Pflicht, Kriegsverbrechen zu melden?« wollte Zuschauer David Eberhardt aus Baltimore wissen. Der 70jährige Kriegsgegner und Aktivist der Gruppe Code Pink bezog sich mit seiner Frage auf das Video eines US-Kampfhubschrauberangriffs, bei dem 2007 neun Zivilisten und ein Reuters-Reporter mit seinem Fahrer in Bagdad erschossen worden waren. Das von Wikileaks bearbeitete und unter dem Titel »Kollateraler Mord« veröffentlichte militärische Videomaterial soll Manning an die Enthüllungsplattform weitergegeben haben. Die Verbreitung des Films im April 2010 soll der letzte Anlaß für Mannings Verhaftung gewesen sein. Oberst Lind ließ Eberhardts Frage unbeantwortet.