Aus: junge Welt Nr. 241 – 17. Oktober 2011 / Von Jürgen Heiser
Der am 26. September fortgesetzte Hungerstreik in den kalifornischen Staatsgefängnissen hat gegen Ende der dritten Woche eine überraschende Wendung genommen. Wie Familienangehörige und Mediatoren am Freitag auf einer Pressekonferenz erklärten, haben die Gefangenen des »Pelican Bay«-Staatsgefängnisses ihren Streik am Donnerstag beendet, während er in anderen Haftanstalten fortgesetzt wird. Anlaß für diese Entscheidung war ein Memorandum, in dem die Gefängnisbehörde California Department of Corrections and Rehabilitation (CDCR) für Anfang kommenden Jahres eine umfassende Überprüfung der Haftbedigungen jedes Gefangenen zusichert, der sich in einer Security Housing Unit (SHU) in Isolationshaft befindet.
»Genau das haben die Gefangenen verlangt«, sagte die Mediatorin Carol Strickman, die als Anwältin für den Rechtshilfeverein »Gefangene mit Kindern« arbeitet, »und es ist der erste bedeutende Schritt des CDCR, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen.« Doch für Strickman muß sich erst noch zeigen, ob die Behörden es wirklich ernst meinen und Häftlinge etwa nicht mehr jahrelang isoliert werden, weil man vorgibt, nur so ihre vermeintlichen Bandenkontakte unterbinden zu können.
Das Mediationsteam, das schon die erste Hungerstreikphase im Juli begleitet hat, sieht jedoch ein Problem darin, daß das CDCR zwar alle SHU-Isolationstrakte in Kalifornien einer Überprüfung unterziehen will, andere Formen der Einzel- oder Sonderhaft aber nicht untersucht werden sollen. Aus diesem Grund setzen die Insassen der Staatsgefängnisse von Calipatria und Salinas Valleyners ihren Streik unvermindert fort. Sie hätten erklärt, für die zentralen fünf Forderungen weiterzukämpfen. Neben der Abschaffung der Langzeitisolierung richten diese sich gegen Kollektivstrafen und gegen den Zwang zur Denunziation von Mitgefangenen als Voraussetzung für eine Verlegung aus der Isolationshaft. Außerdem verlangen die Gefangenen besseres Anstaltsessen und sinnvolle Bildungsprogramme.
Nach längerem Schweigen bestätigte das CDCR am Donnerstag auf seiner Website, daß seit Fortsetzung des Hungerstreiks, an dem sich zeitweise 12000 Gefangenen beteiligt hatten, »bereits nach drei Tagen 4252 Insassen in acht Staatsgefängnissen neun aufeinanderfolgende Mahlzeiten verweigert hatten«. Dies sei der Punkt, so die offizielle Verlautbarung, »an dem das CDCR einen Häftling als im Hungerstreik befindlich ansieht«. Am 13. Oktober sei die Zahl der am Streik Beteiligten auf »580 Häftlinge in drei Staatsgefängnissen« gesunken. Im Widerspruch zu dieser geringen Zahl spricht das CDCR aber jetzt davon, daß der »massenhafte Hungerstreik« nunmehr beendet sei. Kein Wort verlieren die Behördensprecher über den dramatischen Gesundheitszustand vieler Gefangene schon in der zweiten Streikwoche. Dorsey Nunn von »Gefangene mit Kindern« warnte davor, daß jeder Tote im Zuge dieses Hungerstreiks »auf das Konto des CDCR« ginge. Im Corcoran-Gefängnis hatten die Hungerstreikenden am Dienstag sogar angekündigt, zusätzlich in den Durststreik zu treten. Terry Kupers vom Mediationsteam wies darauf hin, daß dadurch die Zwangsernährung drohe, obwohl derartige Maßnahmen von internationalen Ärzteorganisationen geächtet seien.
Die plötzliche Suche des CDCR nach einer Verhandlungslösung mit den Initiatoren des Streiks in Pelican Bay müsse vor diesem Hintergrund kritisch betrachtet werden, hieß es seitens des Solidaritätsbündnisses in Oakland. »Die Gefangenen in Pelican Bay fühlen sich durch den Streik und den Druck, mit dem er das CDCR zu Verhandlungen gezwungen hat, gestärkt«, erklärte ein Sprecher gegenüber der Presse. Nun müsse die Öffentlichkeit aber weiter auf die Situation der noch streikenden Häftlinge achten und die Gefängnisbehörde in die Verantwortung nehmen, ihre Zusagen auch einzuhalten.