Aus: junge Welt Nr. 235 – 10. Oktober 2011 / Von Jürgen Heiser
Der Hungerstreik der Inhaftierten in den kalifornischen Staatsgefängnissen geht am heutigen Montag in seine dritte Woche. Am 26. September hatten die Gefangenen ihren Protest gegen die unhaltbaren Zustände in den überfüllten Haftanstalten und für die Abschaffung der unbegrenzten Isolationshaft wieder aufgenommen, nachdem im Juli gemachte Zusagen von den Justizbehörden nicht eingehalten worden waren. Im Laufe der ersten Woche hatten sich in Etappen 12000 Gefangene teilweise befristet dem Streik angeschlossen. Nach dem Ende der befristeten Solidaritätsaktionen verweigern aktuell 1200 Häftlinge in sechs Gefängnissen das Anstaltsessen. Die Gefängnisbehörde California Department of Corrections and Rehabilitation (CDCR) versucht, die offizielle Zahl der Streikenden durch Tricks herunterzurechnen: So werden im Calipatria-Staatsgefängnis Gefangene sofort von der Liste der Hungerstreikenden gestrichen, wenn sie die lebensnotwendigen Getränke von dem Tablett nehmen, mit dem sonst das Anstaltsessen ausgeteilt wird. Im Hungerstreik ist für das CDCR nur, wer das Anstaltstablett nicht anrührt.
Schon nach den ersten zwölf Tagen traten bei vielen Gefangenen Schwächeanfälle und starker Gewichtsverlust auf. Ein Häftling des Pelican-Bay-Gefängnisses mußte mit einem Herzanfall in eine Notfallklinik verlegt werden, weil ihm die ärztlich verordneten Medikamente verweigert worden waren.
Indessen nehmen die Repressalien gegen die Hungerstreikenden weiter zu. Anwälte, die in der vergangenen Woche ihre Mandanten besuchen konnten, berichten, daß trotz des warmen Wetters die Heizung hochgefahren wurde, was die Dehydrierung der Häftlinge beschleunigt. Im Isolationstrakt von Pelican Bay wurden die Anführer des Streiks abgesondert. Der Unterbrechung ihrer Kommunikation dient auch der »Bann«, mit dem Vertrauensanwälte belegt wurden. Die Behörde wirft den Verteidigern vor, »Sicherheit und Ordnung von CDCR-Einrichtungen zu gefährden«. Rechtsanwältin Carol Strickman, eine der Gebannten, erklärte zu den Vergeltungsmaßnahmen und Einschüchterungsversuchen: »Nun werden Gefangene offen bedroht und ihre Kontakte zu den Anwälten gekappt.« Es sei gewaltsames Vorgehen gegen die Streikenden zu befürchten. In einem Brief an Gouverneur Jerry Brown fordern die Anwälte, der Eskalation Einhalt zu gebieten und appellieren: »Wir können und müssen die Folter in den kalifornischen Gefängnissen sofort beenden.« Dieser Forderung hat sich auch Amnesty International USA angeschlossen.
Die Gefängnisleitung von Corcoran läßt derweil keine Gelegenheit aus, ihre Macht zu demonstrieren. Streikende Häftlinge berichten, daß man sie disziplinarisch wegen »Bandenbildung« verfolgt. Ihnen werde der Hofgang gestrichen, die Verteidigerpost werde geöffnet, der Zugang zu juristischer Literatur und der Kleiderwechsel verwehrt und mit Aussetzung des Besuchsrechts gedroht. »Es wird versucht, uns zu gewaltsamen Reaktionen zu provozieren«, so ein Gefangener in einem Brief.
Angehörige und Solidaritätsbewegung rufen nun dazu auf, beginnend mit dem 13. Oktober an jedem Donnerstag Kundgebungen und Mahnwachen abzuhalten. Eine erste größere Aktion fand bereits am vergangenen Mittwoch vor dem Parlament in Sacramento statt. Manuel La Fontaine vom Solidaritätsbündnis unterstrich dabei: »Es geht um die Menschenrechte, deshalb wird Repression niemanden auf der Welt davon abhalten, dafür zu kämpfen, daß die Gefangenen ihre Forderungen durchsetzen.« So sehen das auch die »Studenten gegen Masseneinsperren« der Howard University in Washington D.C., die einen Zusammenhang herstellen zwischen den Massenverhaftungen bei den Aktionen der »Occupy Wall Street«-Bewegung in New York und dem Hungerstreik in Kalifornien, mit dem sie sich solidarisch erklärten.