Aus: junge Welt Nr. 220 – 21. September 2011 / Von Jürgen Heiser
Der Begnadigungsausschuß des US-Bundesstaates Georgia hat eine Aufhebung des Todesurteils gegen den Afroamerikaner Troy Davis abgelehnt. Begleitet von weltweiten Protesten gegen die für heute, Mittwoch, geplante Hinrichtung, hatte der Ausschuß am Montag und Dienstag beraten. Die ursprünglich für Montag abend angekündigte Entscheidung wurde schließlich am Dienstag von einem Sprecher des Auschusses bekanntgegeben.
Zum vierten Mal seit 2007 sieht Troy Davis seiner Hinrichtung entgegen. Er wurde 1991 zum Tode verurteilt, weil er zwei Jahre zuvor den weißen Polizisten Mark MacPhail in Savannah, Georgia, erschossen haben soll. Drei Hinrichtungsbefehle wurden wieder aufgehoben, weil auch der Begnadigungssausschuß Zweifel an der Stichhaltigkeit des Urteils hatte. Seitdem wurde das fünfköpfige Gremium mit drei neuen Mitgliedern besetzt. Der Ausschuß hätte das Todesurteil in lebenslange Haft mit oder ohne Bewährung umwandeln oder die Sitzung weiter vertagen können, um sich näher mit dem Fall zu befassen.
Unschuldsbeweise
Die Verteidigung von Troy Davis hatte in der Sitzung eindringlich an die Ausschußmitglieder appelliert, das Leben ihres Mandanten zu schonen und so eine erneute gerichtliche Überprüfung des Falles zu ermöglichen. Der Mandant habe immer seine Unschuld beteuert, und die Mehrzahl der Belastungszeugen habe ihre Aussagen widerrufen. Es gebe »Berge von Unschuldsbeweisen«, erklärte Anwalt Stephen Marsh. Die Verteidiger überreichten dem Ausschuß ein 60seitiges Memorandum, in dem sie alle für eine Begnadigung sprechenden Zweifel am Urteil darlegten. Gleichzeitig hatten sie eine 90tägige Aussetzung der Entscheidung beantragt, »damit dem Ausschuß Zeit gegeben wird, das umfangreiche Aktenmaterial des Falles und die detaillierten Fakten zu überprüfen«.
Am Montag nachmittag plädierten Staatsanwaltschaft und die Familie McPhails ausführlich für die Beibehaltung des Todesurteils und zeigten sich ohne jeden Zweifel überzeugt, daß »mit Davis der richtige Mann seiner Exekution entgegensieht«. Joan MacPhails, Witwe des getöteten Polizisten, erklärte nach dem Sitzungstag gegenüber der Presse, daß »wir weitermachen und ihn hinrichten müssen«.
Nach weltweit über 300 Kundgebungen seit Freitag fand vor dem Gebäude der nichtöffentlichen Sitzung bis in die Nacht hinein eine Mahnwache zahlreicher Unterstützer von Davis statt. Ed DuBose, Präsident der Bürgerrechtsorganisation NAACP von Georgia, erklärte: »Die Menschen, die hier stehen, sind sowohl Befürworter als auch Gegner der Todesstrafe. Sie sind hier zusammengekommen, um auszudrücken, daß es in diesem Fall zu viele Zweifel gibt.«
Weltweite Unterstützung
Aus aller Welt hatten den Begnadigungsausschuß Hunderttausende Petitionen zugunsten von Troy Davis erreicht. EU-Parlament und Prominente vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter bis Papst Benedikt XVI hatten sich ebenfalls für Davis eingesetzt. Vergangene Woche noch ging auch Angela Davis, legendäre politische Gefangene der USA in den 1970er Jahren und durch weltweite Solidarität vor lebenslanger Haft oder Todesstrafe bewahrt, mit einem dringenden Appell an die Öffentlichkeit, sich bei Begnadigungsausschuß und Gouverneur Nathan Deal für Troy Davis einzusetzen. Laura Moye, Sprecherin von Amnesty International, erklärte vor dem Sitzungsgebäude: »Wir werden nicht still zusehen, wie der Staat Georgia seine Hinrichtung vorbereitet, sondern weiter unsere Stimmen erheben und klarmachen: Nicht in meinem Namen!«
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http://www.jungewelt.de/2011/09-21/043.php