Hungerstreik erreicht Höhepunkt

14.07.11 (von ivk-jW) Kalifornien: 6600 Häftlinge in 13 Gefängnissen protestieren gegen Isolationshaft. Behörden in Kalifornien verweigern Verhandlungen

Aus: junge Welt Nr. 161 – 14. Juli 2011 / Von Jürgen Heiser

Begleitet von einer Vielzahl von Öffentlichkeitsaktionen einer wachsenden Solidaritätsbewegung erreicht der am 1. Juli in kalifornischen Gefängnissen aufgenommene Hungerstreik ein erstes dramatisches Stadium. Über 6600 Häftlinge in 13 von 33 Gefängnissen haben sich nach Behördenangaben dem Streik der Insassen des Isola­tionstrakts im Pelican-Bay-Staatsgefängnis angeschlossen, davon allein 1500 im Calipatria-Staatsgefängnis in Imperial County.
Nach zwölf Tagen, in denen sie nur Wasser getrunken haben, habe die körperliche Verfassung vieler Gefangener zum Teil schon ein kritisches Stadium erreicht. Dies erklärte Molly Porzig, Sprecherin des Bündnisses »Prisoner Hunger Strike Solidarity« in San Francisco, unter Verweis auf Berichte von Anwälten und Familienangehörigen gegenüber jW. Da viele nach oft langjähriger Isola­tion ohnehin gesundheitlich stark angeschlagen seien, werde nun schon der Tod einiger Häftlinge befürchtet, wenn die Verantwortlichen nicht umgehend handelten, so Porzig weiter. Mit ihrem Streik wollen die Gefangenen ein Ende der unbestimmt langen Unterbringung in den berüchtigten Isolationstrakten und eine generelle Verbesserung ihrer Haftbedingungen und medizinischen Versorgung erreichen.
Ihre Entschlossenheit brachte Mutop DuGuya aus Pelican Bay zum Ausdruck: »Niemand von uns will sterben. Welche Wahl haben wir aber unter dem gegenwärtig herrschenden System, das hochgradiger Folter gleichkommt? Wenn wir schon sterben müssen, dann zu unseren Bedingungen.«
Eine Quelle aus dem medizinischen Bereich in Pelican Bay, die anonym bleiben will, zitierten Anwälte des Solidaritätsbündnisses: »Der medizinische Stab wurde angewiesen, die Hungerstreikenden im Auge zu behalten und sie zu behandeln, selbst wenn dafür Überstunden anfielen. Bei einigen Streikenden liegt bereits Nierenversagen vor, sie haben seit drei Tagen nicht mehr urinieren können.« Bei anderen sei ein erhöhter Blutzuckerspiegel gemessen worden, der bei Nichtbehandlung tödlich enden könne, so die Quelle weiter. Diese Gefangenen seien bereits ins Haftkrankenhaus verlegt worden.
Molly Porzig teilte zudem mit, daß Berichte von Häftlingen vorlägen, wonach ihnen Medikamente, die sie wegen ihrer Erkrankungen dauerhaft einnehmen müssen, nach Beginn des Streiks verweigert wurden. Die Begründung: Die Medikamente dürften nur mit Nahrung eingenommen werden. Dies sei Teil der Maßnahmen, den Streik zu brechen. In Pelican Bay und Calipatria seien Wärter durch die Zellentrakte gelaufen und hätten gerufen: »Der Hungerstreik ist vorbei! Die Forderungen werden erfüllt!« Nichts davon sei wahr, manche Gefangene hätten den Streik daraufhin aber abgebrochen, so Porzig.
»Die Situation ist besorgniserregend und akut«, erklärte Carol Strickman, Anwältin des Rechtshilfevereins für Gefangene mit Kindern. »Wir ringen darum, Tote in Pelican Bay zu verhindern. Die Gefängnisbehörde muß unbedingt die Verhandlungen mit den Gefangenen aufnehmen.« Außerdem müsse die Forderung der Streikführer nach unabhängigen Mediatoren akzeptiert werden, um für kommende Verhandlungen eine Vertrauensbasis zu schaffen.
Für Taeva Shefler vom Prison Activist Resource Center in Oakland müsse sich die Gefängnisbehörde fragen, wie lange sie noch die »Sicherheit und Gesundheit der Gefangenen gefährden« wolle, »statt sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen und zu reden«?


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Stand: 24.11.2024 um 07:19:26 Uhr