Aus: junge Welt Nr. 153 vom 5. Juli 2011 / Von Jürgen Heiser
Der am vergangenen Freitag begonnene unbefristete Hungerstreik von Häftlingen des Pelican Bay Staatsgefängnisses in Kalifornien gegen ihre unmenschlichen Haftbedingungen nimmt immer größere Dimensionen an. Zunächst verweigerten 43 von 52 Insassen der Abteilung D1 des Isolationstraktes Security Housing Unit (SHU) die Nahrungsaufnahme. Nur neun ältere und kranke Gefangene nahmen ihre Mahlzeiten weiter ein. Am Wochenende teilten die Streikenden ihren Angehörigen mit, daß sich in anderen SHU-Abteilungen die Häftlinge annähernd geschlossen beteiligen würden. Auch einige der übrigen Insassen des mit rund 3500 Häftlingen überbelegten Hochsicherheitsgefängnisses würden an der Aktion teilnehmen. Zudem traten mehr als hundert Häftlinge der Staatsgefängnisse von Corcoran und Folsom aus Solidarität ebenfalls in den Hungerstreik. Die Häftlinge protestieren gegen die Haftbedingungen und wollen unter anderem ein Ende der unbegrenzten Isolationshaft in Pelican Bay erreichen (junge Welt berichtete).
Der in San Francisco ansässige Rechtshilfeverein »Prisoners with Children« (Gefangene mit Kindern) kritisierte in einer Stellungnahme, der SHU-Trakt ermögliche eine unbegrenzte Isolierung, der Häftlinge nur entrinnen könnten, wenn sie Mitgefangene wegen Regelverstößen oder als Mitglieder einer Bande denunzierten. Damit werde Mißbrauch Vorschub geleistet. Carol Strickmann, die als Anwältin für »Prisoners with Children« tätig ist, erklärte gegenüber der Los Angeles Times, diese Praxis schaffe einen Teufelskreis, in dem Aussagen erzwungen und Zwietracht unter Inhaftierten gesät würden. »Sie werden so dazu gebracht, über sich und andere zu lügen, nur um aus dem Isolationstrakt herauszukommen«, so die Anwältin.
Terry Thornton, Sprecherin der staatlichen Gefängnisbehörde California Department of Corrections and Rehabilitation (CDCR), widersprach den von den Streikenden genannten Zahlen. In der Los Angeles Times vom 3. Juli erklärte Thornton, »weniger als zwei Dutzend Gefangene« weigerten sich zu essen, und die Anzahl habe sich am zweiten Tag noch verringert. Allerdings gehe ihre Behörde erst dann von einem Hungerstreik aus und gebe offizielle Zahlen bekannt, wenn die Streikenden »an drei aufeinanderfolgenden Tagen keine Mahlzeiten zu sich genommen haben. Dann werden die Inhaftierten nach unseren Regularien einem Arzt vorgeführt«, so Thornton.
Wie sehr die Behörden eine Ausweitung der Aktion fürchten, zeigte sich am gestrigen Feiertag, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag. An alle Pelican-Bay-Insassen wurden üppige »Vierter-Juli-Menüs« ausgeteilt, Erdbeerkuchen und Eiscreme inklusive. Vor der Presse erklärte dazu die Frau eines SHU-Häftlings: »Die Knastleitung hat die Menüs vorher groß angekündigt. Im SHU-Isolationstrakt hat es zuvor noch nie Eiscreme gegeben, und in den knapp zwanzig Jahren, die mein Mann im kalifornischen Strafvollzug einsitzt, hat er nie auch nur eine einzige Erdbeere gesehen.«
Unterstützer der Hungerstreikenden in San Francisco und Los Angeles gehen davon aus, daß seitens der Behörden statt einer Auseinandersetzung mit den Ursachen des Streiks weitere derartige Aktionen durchgeführt werden.