junge Welt Nr. 188 – 16. August 2010
Ein US-Bundesrichter hat am Donnerstag abgelehnt, im Fall des zum Tode verurteilten Troy Davis eine erneute Überprüfung der Beweislage anzuordnen. Die Verteidigung hatte Fakten präsentiert, die das Gericht »klar von der Unschuld Davis’ überzeugen« sollten. Der für den südlichen Bezirk des US-Bundesstaats Georgia zuständige Richter William T. Moore Jr. erklärte jedoch, die Anwälte hätten »versucht, durch eine lückenhafte und irreführende Beweisführung Sinn und Zweck des Gesetzes zu pervertieren«.
Der 41jährige Afroamerikaner Davis war 1991 aufgrund belastender Zeugenaussagen verurteilt worden, den weißen Polizisten Mark MacPhail 1989 in Savannah, Georgia, erschossen zu haben. Davis hatte immer seine Unschuld beteuert, eine Tatwaffe oder ihn belastende DNA-Spuren wurden nie gefunden. Seit Jahren versuchen seine Verteidiger mit Unterstützung durch Davis’ Familie, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, den Europarat, viele Prominente und eine wachsende internationale Solidaritätsbewegung für ihren Mandanten eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. Schon dreimal stand Davis kurz vor der Hinrichtung, jedoch gelang es seinen Verteidigern immer wieder, einen Aufschub zu erreichen.
Im August 2009 erreichten die Anwälte, daß drei von fünf Richtern des Obersten Gerichtshofs der USA entschieden, eine Anhörung zur Beweiserhebung anzuordnen. »Das erhebliche Risiko, einen unschuldigen Mann hinzurichten«, biete dafür eine hinreichende Rechtfertigung, so die Richter – ein Novum in der Rechtspraxis der US-Todesstrafe seit ihrer Wiedereinführung im Jahr 1976. Der mit der Anhörung beauftrage Richter Moore beraumte deshalb für den 23. und 24. Juni 2010 in Savannah eine Anhörung an, bei der sieben der neun bisherigen Belastungszeugen ihre Aussagen widerriefen und erklärten, diese »aus Angst« und »auf Drängen der Polizei« gemacht zu haben. Außerdem sagten neue Zeugen aus, die eine andere Person als den wahren Täter benannten. Doch Richter Moore lehnte »mehrere Zeugen auf unangemessene Weise ab«, wie die Verteidigung feststellte. Der Fall müsse deshalb zwingend neu aufgerollt werden. Die Staatsanwaltschaft konterte, die Verteidigung habe »bestimmte Zeugen nicht aufgerufen«. Es dürfe ihr deshalb »nicht gestattet werden, Nutzen aus dieser Vorauswahl zu ziehen«. Gemeint ist damit unter anderem der als Täter beschuldigte Sylvester Cole, der bei früheren Vernehmungen die Tat abgestritten und alles auf Davis geschoben hatte. Justizkritische Beobachter des Falles werteten die Erklärung der Staatsanwaltschaft als Versuch, vom Zusammenbruch ihrer ursprünglichen Beweiskonstruktion abzulenken. Schließlich sei es gängige Rechtspraxis, daß sowohl Anklage als auch Verteidigung in ihrer Beweisführung nur jene Fakten und Zeugen präsentierten, die den gewünschten Ausgang des Verfahrens garantierten.
Richter Moore hat sich mit seiner abschließenden Entscheidung nun der Staatsanwaltschaft und dem Minderheitsvotum von Richter Antonin Scalia vom Obersten Gerichtshof angeschlossen. Der rechtskonservative Scalia hatte im vergangenen Sommer zur Entscheidung seiner Kollegen erklärt, die von Davis vorgebrachten Argumente seien »zum Scheitern verurteilt«. Die Verteidigung versucht dagegenzuhalten und hat weitere Rechtsmittel angekündigt.