Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 187 – 14./15. August 2010
Anfang November 1979 tauchten an vielen Häuserwänden in den USA Parolen auf, die Assata Shakur, einem zu lebenslanger Haft verurteilten Mitglied der Black Panther Party und der im Untergrund agierenden Black Liberation Army, signalisieren sollten, daß ihr Sprung in die Freiheit begrüßt wird und sie an vielen Orten Schutz und Unterstützung findet: »Assata is welcome here!« Am 2. November 1979 war Assata Shakur die Flucht aus dem Frauengefängnis von Clinton im US-Bundesstaat New Jersey geglückt. Nachdem sie schon sieben Jahre Haft von ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe verbüßt hatte, war es ihr gelungen, dem Gefängnis mit Hilfe eines aus schwarzen und weißen Revolutionären bestehenden Kommandos durch eine List und ohne Anwendung von Gewalt zu entfliehen.
Im Rahmen einer langjährigen Repressionswelle des FBI wurde 1985 auch die untergetauchte weiße Antiimperialistin Marilyn Buck verhaftet und unter anderem wegen des Vorwurfs, an Assata Shakurs Befreiung beteiligt gewesen zu sein, angeklagt. Weil zwischenzeitlich offenbar geworden war, daß Assata Shakur als geachtete Repräsentantin der afroamerikanischen Bevölkerung sicher im politischen Asyl in Kuba lebte, rächte sich die US-Justiz an jenen, derer sie habhaft werden konnte. Marilyn Buck wurde zu 80 Jahren Haft verurteilt. Während der Jahrzehnte als politische Gefangene im US-Bundesgefängnissystem fing sie an zu schreiben und verfaßte mehrere Bücher und eine Vielzahl von Gedichten über die Lage ihrer Mitgefangenen, aber auch über andere politische Gefangene und aktive Kämpfer für die Sache der Befreiung der Schwarzen. Aus dem Jahr 2000 stammt ihr Gedicht »Black August« (Schwarzer August), in dem sie über den Monat schreibt, in dem alljährlich der Männer und Frauen aus dem schwarzen Freiheitskampf gedacht wird. Darin heißt es: »Stell dir vor, du hängst am Rand einer Klippe / messerscharfes Gestein schlitzt dir deine Finger auf / Schließer trampeln dir mit ihren Komißstiefeln deine Finger blutig / und schreien dir hämisch lachend zu: / »Laß schon los und krepier! Fahr zur Hölle, krepier endlich!« / Würdest du das aushalten 20 Jahre, 30 Jahre lang? / Schon 20 Jahre, 30 Jahre und mehr / sind tapfere schwarze Brüder begraben / in US-Konzentrationslagern / und sie lassen nicht los / sind das schwarze Licht, das in den Folterkammern leuchtet / (...) und ihr Widerstand nimmt ständig zu: Black August. / Nat Turner, Anführer des Sklavenaufstands, hingerichtet: Black August. / Jonathan und George Jackson starben im Kampf: Black August. / Fred Hampton, Black Panther, African Brotherhood, ermordet: Black August. / Kuwasi Balagoon, Nuh Abdul Quyyam, gefangene Krieger, gestorben im Knast: Black August. / Harriet Tubman, Sojourner Truth, Ella Baker, Ida B. Wells / Queen Mother Moore – kämpfend gegen den Tod bis zum letzten Atemzug: Black August. / Black August: Losung des schwarzen Freiheitskampfs für die Befreiung der Menschheit / Schwert zum Zerschlagen der Ketten / Licht, das die Kinder aller Nationen in ein Leben in Sicherheit führt. / Gedenken wir des Black August / um uns dem ameriKKKanischen Alptraum unseres Lebens zu widersetzen.«
Marilyn Buck wurde am 15. Juli 2010 nach 25 Jahren krank aus der Haft entlassen. Kaum in Freiheit, verstarb die 62jährige nach nur 19 Tagen an den Folgen einer Krebserkrankung, die hinter Gittern nicht angemessen behandelt worden war. Linda Evans, selbst eine frühere langjährige politische Gefangene, gab der Öffentlichkeit bekannt, Marilyn sei am 3. August 2010 »friedlich und im Kreis ihrer Freunde« gestorben. Bis zum Schluß sei sie von ihrem revolutionären Geist beseelt gewesen.
Marilyn Buck mußte so viele Jahre in Haft zubringen, weil sie den schwarzen Befreiungskampf unterstützt hatte, was sie für das weiße Amerika zu einer »Verräterin« machte, für die es keine Gnade gibt. Wie der weiße Farmer und Gegner der Sklaverei John Brown vor dem amerikanischen Bürgerkrieg für seine schwarzen Brüder und Schwestern kämpfte und dafür 1859 gehenkt wurde, so kämpfte auch Marilyn Buck für die, die in Unfreiheit leben.
Übersetzung: Jürgen Heiser