Kolumne 13.02.2010: Bittere Erkenntnis

13.02.10 (von maj) Obamas Wähler haben bekommen, wogegen sie stimmten: Krieg und innenpolitischen Stillstand

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 37 – 13./14. Februar 2010

Am 20. Januar 2010 hat US-Präsident Barack Obamas Demokratische Partei bei der Senatsnachwahl im Bundesstaat Massachu­setts den Sitz des verstorbenen Senators Edward Kennedy an den Republikaner Scott Brown verloren. Damit kann die Regierung Obama kein Gesetzesprojekt mehr ohne ein Minimum an republikanischer Unterstützung durch den Kongreß bringen. Damit steht aber nicht nur die ohnehin verwässerte Gesundheitsreform wieder auf der Kippe, sondern Obamas versprochene Politik des »Wandels« verzeichnete auch gerade an dem Tag einen Vertrauensverlust, als er mit seiner Rede zur Lage der Nation auf das erste Jahr seiner Amtszeit zurückblickte.
Es zeigt sich, daß eine Regierung, die durch die Präsidentschaftswahl mit einer komfortablen Mehrheit ausgestattet war, ihre Ziele bislang nicht annähernd erreichen konnte.
Im Ausland führt die Obama-Regierung die Kriegspolitik des Bush-Regimes weiter: Erhöhung der Bombenangriffe mit todbringenden Drohnen auf Pakistan und Afghanistan mit vielen zivilen Opfern, Beibehaltung der CIA-Geheimgefängnisse, rechtliche Absegnung der Folter, weitere Durchführung von Gefangenenverschleppungen in Länder, die foltern, unbegrenzte Haftdauer ohne Prozeß und das Entwickeln von Rahmenbedingungen für künftige Kriege wie gegen die Islamische Republik Iran.
In Gesprächen hinter vorgehaltener Hand zeigen sich frühere Amtsträger der Bush-Regierung beeindruckt, wie die Amtsführung einiger Offizieller der jetzigen Regierung jener ihrer Vorgänger ähnelt. Das liegt ganz einfach daran, daß die beiden staatstragenden Parteien der USA von der Idee imperialer Politik durchdrungen sind. Außerdem zeigt sich wieder, daß die Inhalte eines Wahlkampfs nichts darüber aussagen, wie die betreffende Partei später regieren wird. Und es erweist sich wieder als Tatsache, daß der militärisch-industrielle Komplex beide Parteien fest im Griff hat.
In der griechischen Mythologie kämpfte Herkules gegen eine vielköpfige Hydra. In den USA sind Demokraten und Republikaner die beiden Köpfe auf dem Körper des mächtigen Kapitalismus, der sie beide braucht und so einsetzt, wie es seinen Interessen am besten dient. Die Medien wiederum sind ein Arm dieses Körpers, dem die Aufgabe zufällt, das Volk in einem Zustand der Furcht zu halten, damit es bereit ist, eine auf Gerüchten, Unterstellungen, Legenden und Lügen basierende Kriegspolitik zu unterstützen.
In England gibt es wenigstens einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der etwas Licht bringen soll in die Ereignisse, die zum Irak-Krieg geführt haben. In diesem Zusammenhang haben Mitglieder des britischen Parlaments wie Sir Menzies Campbell von den Liberaldemokraten den Feldzug gegen Irak als »unrechtmäßigen Krieg« und andere das militärische Handeln als »Kriegsverbrechen« bezeichnet.
In den USA wurden solche Bestrebungen und Vorwürfe vom Tisch gefegt. Wie sollte es auch anders sein, wenn die jetzige Regierung den Krieg in Irak fortsetzt und den in Afghanistan ausweitet? Die Mehrheit der Wähler von Barack Obama hat aber nicht nur für ihn gestimmt, weil sie gegen George W. Bush war, sondern gegen den Krieg überhaupt. Nach über einem Jahr Amtszeit von Barack Obama mußten seine Wähler einsehen, daß man nicht immer das bekommt, für das man gestimmt hat. Vielleicht haben sie auf diese schmerzliche Weise auch begriffen, daß das Abgeben der Wahlstimme für einen herbeigesehnten »Wandel« in diesem vom Kapitalismus beherrschten System einem oftmals nur die alten Verhältnisse in neuem Gewand beschert.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 23.11.2024 um 14:53:18 Uhr