»Im Kampf um Mumias Leben wird die Zeit knapp«

20.12.09 (von ivk) Linksfraktion im Bundestag hofft auf überfraktionellen Antrag gegen drohende Hinrichtung des US-Journalisten. Ein Gespräch mit Annette Groth / Interview: Claudia Wangerin

Aus: junge Welt Nr. 294 - 19./20. Dezember 2009

Im Rahmen der Menschenrechtsdebatte des Bundestages haben Sie am Donnerstag einen Appell des in den USA zum Tode verurteilten Journalisten Mumia Abu Jamal im Bundestag verlesen. Er bat darum, einen Antrag Ihrer Fraktion zu unterstützen. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, sich für die Rettung seines Lebens und die Abschaffung der Todesstrafe in den USA einzusetzen. Welche Reaktionen gab es?

Die waren eher verhalten. Das mag aber auch daran liegen, daß die anderen Fraktionen etwas überrumpelt waren. Schließlich hatten vorher schon etliche Redner die Abschaffung der Todesstrafe als wichtiges Anliegen erwähnt. Wir hoffen sehr, daß es zu einem interfraktionellen Antrag kommt, der inhaltlich dem entspricht, den wir vorgelegt haben. Ein wichtiger Punkt sind Gespräche über ein sofortiges Moratorium als ersten Schritt zur Abschaffung der Todesstrafe. Darüber muß auf bilateraler Ebene und im Rahmen der EU mit den USA verhandelt werden. Wir erwarten, daß es bei diesem Thema keine Berührungsängste anderer Fraktionen mit uns geben wird. Ansonsten hoffen wir, daß es eigene Anträge der SPD und der Grünen geben wird.

Bis wann entscheidet sich das voraussichtlich?

Das sollte sehr bald sein. Die erste Sitzungswoche im kommenden Jahr ist Ende Januar. Im Kampf für Mumia Abu-Jamals Leben wird die Zeit knapp: Nach dem 11. Januar wird der Oberste Gerichtshof der USA seine Arbeit wieder aufnehmen. Die Staatsanwaltschaft hatte dort Berufung eingelegt, um die Hinrichtung doch noch durchzusetzen, nachdem das Berufungsgericht die Umwandlung des Todesurteils in lebenslange Haft in Aussicht gestellt hatte. Wenn wir keinen gemeinsamen Antrag hinkriegen, sollten SPD und Grüne wenigstens einen eigenen vorlegen.

In den US-Todestrakten sitzen zur Zeit rund 3000 Menschen, die wie der als angeblicher Polizistenmörder verurteilte Mumia Abu-Jamal auf ihre Hinrichtung warten. Weltweit sind es etwas über 20 000. In Relation zur Einwohnerzahl sind es in den USA sogar mehr als in der VR China, die von der Bundesregierung öfter wegen Menschenrechtsverletzungen angeprangert wird. Wie kann man noch Druck auf die US-Justiz ausüben?

Neulich war ich auf einer Veranstaltung mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Obama-Regierung, Dr. William Schultz, den ich dann auf Mumia Abu-Jamal ansprach. Da schaute er mich groß an und fragte: »Was glauben Sie, was ich seit Jahren mache?« Er war viele Jahre Direktor von Amnesty International und bemüht sich schon lange darum. Aber Sie wissen ja, wie das in den USA läuft: Der entscheidende Faktor sind die Gouverneure – und der Gouverneur von Pennsylvania gilt nun leider als ziemlich scharfer Hund.

Welchen Einfluß hat US-Präsident Barack Obama, wenn er ihn denn geltend machen will?

Der Präsident ist nicht befugt, Verurteilte zu begnadigen. Das kann er nur in dem Moment, in dem er sein Amt niederlegt – und Obamas Amtszeit dauert ja nun regulär noch eine Weile. Aber natürlich hat der Präsident eine Menge Einfluß über sein Kabinett. Justizminister Eric Holder hat angedeutet, sich für die Umwandlung des Todesurteils in eine lebenslange Haftstrafe einsetzen zu wollen. Schließlich ist Mumia Abu-Jamal inzwischen weltbekannt. Er ist mittlerweile Ehrenbürger von Paris und Ehrenmitglied des Schriftstellerverbandes PEN. Seine regelmäßige Kolumne, die auf deutsch in der jungen Welt erscheint, wird auch in US-Zeitungen abgedruckt.

Hat Obama nicht Grund, einen bösen Imageverlust zu befürchten, wenn unter seiner Regentschaft ein so prominenter Afroamerikaner hingerichtet wird?

Sicher, zumal Obama gerade der Friedensnobelpreis verliehen wurde – und das offensichtlich eher für Leistungen, die man sich von ihm erhofft hatte als für solche, die er schon vollbracht hat. Es erweckt den Eindruck einer erzieherischen Maßnahme, die motivierend wirken soll. Er hat allen Grund, diesen Imageverlust abzuwenden.

[Annette Groth ist menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag]


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