Die Rede von Annette Groth im Rahmen der auf 75 Minuten angesetzten Menschenrechtsdebatte war ursprünglich für 13 Uhr 20 terminiert. Durch eine eingeschobene aktuelle Stunde und weitere Verzögerungen konnte die Abgeordnete erst um 16 Uhr 45 vor dem Plenum sprechen. Nach ihren kurzen Stellungnahmen zu den Anträgen der anderen Fraktionen (siehe hierzu den Bericht auf der Website www.bundestag.de[1]) verlas sie die Erklärung, die Mumia Abu-Jamal für diese Debatte übersandt hatte.
Sie lautet:
An die ehrenwerten Mitglieder des Deutschen Bundestages.
Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, zum Tode verurteilt zu sein?
Können Sie sich vorstellen, dass man Ihnen mitteilt, wie Sie hingerichtet werden sollen, dass Sie aber Jahr um Jahr auf den Tod warten müssen?
Dies ist die Situation von mehr als 3.000 Menschen in den US-Todestrakten und von über 20.000 Männern, Frauen und Kindern, die weltweit auf ihre Hinrichtung warten.
Ich warte jetzt schon fast drei Jahrzehnte darauf, meinem Henker zu begegnen.
Rassismus durchzieht meinen Fall seit meiner Verhaftung im Jahr 1981 bis heute. Zum Beispiel sagte der Richter während meines Prozesses: »Ich werden ihnen helfen, den Nigger zu grillen.« Dies ist nur ein Kommentar in einem von vielen Fällen, die durchsetzt sind von solchen Schmähungen.
Ich spreche deshalb nicht nur in meinem, sondern im Namen aller, die weltweit in den Todestrakten sitzen. Ich bitte Sie, den Antrag zu unterstützen, der heute eingebracht wird.
Die Todesstrafe ist ein Unrecht für jeden Menschen und muss abgeschafft werden. Wir in den Todestrakten brauchen ihre Hilfe.
Ich danke Ihnen und Ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen für Ihre standfeste Ablehnung der Todesstrafe.
Danke sehr*,
Mumia Abu-Jamal
Todeszelle*, Pennsylvania
15. Dezember 2009
[Übersetzung: Jürgen Heiser]
* im Original auch auf Deutsch
Der nachfolgende Antrag ist zur weiteren Beratung an den Menschenrechtsausschuß des Bundestages überwiesen worden. Im neuen Jahr wird dann über den Antrag abgestimmt (Jan./Febr.).
Deutscher Bundestag // Drucksache 17/236
17. Wahlperiode // 15.12.2009
Antrag
der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dagdelen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movas-sat, Thomas Nord, Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion DIE LINKE.
Nein zur Todesstrafe in den USA – Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal verhindern
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Die Todesstrafe ist mit humanistischen Grundeinstellungen in einer Gesellschaft nicht vereinbar. Sie negiert das elementare Menschenrecht auf Leben und ist eine Form besonders unmenschlicher, grausamer und erniedrigender Behandlung. Die Einhaltung der Menschenrechte und die gleichzeitige Verhängung der Todesstrafe schließen sich aus.
2. Der Deutsche Bundestag unterstützt die weltweiten Solidaritätsbekundungen von Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen, die akut drohende Hinrichtung des im US-Bundesstaat Pennsylvania in der Todeszelle einsitzenden afro-amerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal zu verhindern. Der Deutsche Bundestag nimmt mit großer Sorge zur Kenntnis, dass durch die aktuelle Rechtslage die Vollstreckung der Todesstrafe für Mumia Abu-Jamal unmittelbar droht, falls der Supreme Court der Vereinigten Staaten dem diesbezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft stattgibt.
3. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Resolutionen von Städten und Gemeinden wie München und Kaiserslautern, aber auch der Bremischen Bürgerschaft, die sich dem Städte-bündnis gegen die Todesstrafe und mit dem beschlossenen Dringlichkeitsantrag „Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe und ihrer Vollstreckung“ der bundesweiten Kampagne zur Abwendung der Vollstreckung des Todesurteils an Mumia Abu-Jamal angeschlossen haben.
4. Der Deutsche Bundestag nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die Stadt Paris Mumia Abu-Jamal zum Ehrenbürger ernannt hat, und ermuntert auch Gebietskörperschaften in Deutschland, über eine solche Ehrung nachzudenken.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. sich nachdrücklich gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika für die Rettung des Lebens des US-amerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal einzusetzen und im Rahmen der Möglichkeiten des US-Rechts eine Begnadigung oder die Umwandlung der Todesstrafe in eine Haftstrafe zu erwirken.
2. sich dafür einzusetzen, dass alle Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten einen gemeinsamen Appel zur Rettung des Lebens von Mumia Abu-Jamals, beschließen.
3. den USA anzubieten, Mumia Abu-Jamal in Deutschland Aufnahme zu gewähren.
4. sich in Gesprächen auf bilateraler Ebene und im Rahmen der EU gegenüber den USA für ein umgehendes Moratorium als ersten Schritt zur Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen.
Berlin, den 15. Dezember 2009
Dr. Gregor Gysi und Fraktion DIE LINKE.