Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 282 - 5./6. Dezember 2009
Die US-Militärakademie Westpoint am Westufer des Hudson Rivers ist ein geschichtsträchtiger Ort. Aus ihren Lehrgängen geht die Elite des US-Offizierskorps hervor. Ziel der Akademie ist es, »das Korps der Kadetten zu schulen, trainieren und inspirieren, um aus jedem Absolventen einen charakterlich vorbildlichen Offizier zu machen, der sich den Werten von Pflicht, Ehre, Vaterland, professioneller Entwicklung durch eine Offizierskarriere in der Armee der Vereinigten Staaten und einem lebenslangen selbstlosen Dienst für die Nation verpflichtet fühlt«.
Am Dienstag nun hat US-Präsident Barack Obama in einer halbstündigen Rede vor 4 200 Westpoint-Absolventen und Gästen seine militärische Strategie für Afghanistan dargelegt und angekündigt, die Interventionstruppen um 30000 Soldaten zu verstärken. Diese militärische Unterstützung soll helfen, eines der korruptesten Regimes dieser Welt zu stabilisieren. Obama kann so entscheiden, weil sich sogenannte liberale Kräfte während der letzten US-Präsidentschaftswahlen zwar gegen den ruinösen und katastrophalen Irak-Krieg aussprachen, den Krieg in Afghanistan aber zum »guten Krieg« erklärten. Vielleicht auch deshalb, weil es schien, als könnte man ihn eher gewinnen.
Aber es gibt noch einen weiteren Grund. Die USA führen Kriege in Übersee immer auch aus politischen Gründen, wobei die Außenpolitik eine Funktion für die Innenpolitik erfüllt. Es geht immer auch um den Kampf darum, wer die politische Vormachtstellung in den USA einnimmt. Krieg, so heißt es seit alters her, ist der Sport der Könige. In den USA ist Krieg der Sport der politischen Parteien. Wer in der Politik wortgewaltig auftritt und am besten seine Muskeln spielen lassen kann und Härte zeigt, wird am ehesten Wahlsiege davontragen, so glaubt man.
Afghanistan ist deshalb Teil eines großen Spiels. Der Krieg selbst ist von untergeordneter Bedeutung, aber er besitzt einen hohen Symbolwert im immerwährenden Kampf zwischen den »linken« und »rechten« Kräften in der Zweiparteienlandschaft der USA. Die Protagonisten interessiert es dabei herzlich wenig, was die Bürger wollen oder welcher Partei sie angehören. Die politischen Parteien in den USA sind gekauft und werden von Interessengruppen finanziert und als Werkzeuge dafür eingesetzt, immer größere private Gewinne und Wohlstand für eine Minderheit zu sichern. Nur so ist das große Spektakel erklärbar, daß die Wähler ihre Stimme einem Kandidaten geben, der sich als Kriegsgegner ausgibt, aber, sobald er im Amt ist, für mehr Kriege, mehr Waffen und Truppenverstärkungen eintritt. Warum das so ist? Weil Krieg ein großes Geschäft ist. Das ist in den USA so seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg, als sich einige Leute eine goldene Nase dabei verdienten, die widerstreitenden Armeen der Nord- und Südstaaten auszurüsten und zu verpflegen. Kriege werden niemals aus den Gründen geführt, die uns die Politiker dafür weismachen wollen. In Afghanistan geht es ebensowenig um den »Kampf gegen den Terror«, wie es in bei der militärischen Besetzung Iraks um angeblich vorhandene Massenvernichtungswaffen ging.
In diesen Tagen ergreift die britische Regierung eine eher seltene Initiative, nämlich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß über die Frage durchzuführen, wieso sich London am Irak-Krieg beteiligt hat. Ist es nicht bemerkenswert, daß die Verantwortlichen elementare Fragen nach dem Krieg aufwerfen, die vor dem Krieg hätten gestellt werden müssen? Natürlich hat die britische Regierung sich 2003 nicht nur aus Loyalität gegenüber dem großen Bruder in Washington für die Beteiligung am militärischen Vorgehen gegen Irak entschieden, sondern auch und vor allem aus Gründen des politischen Eigennutzes und wegen verheißungsvoller Profite für die Rüstungsindustrie.
Übersetzung: Jürgen Heiser