Aus: junge Welt Nr. 198 - 27. August 2009
Leonard Peltier, Aktivist des American Indian Movement (AIM), seit 1977 wegen der angeblichen Tötung zweier FBI-Agenten in Haft, soll auch nach über drei Jahrzehnten nicht auf Bewährung freikommen. Das entschied der zuständige US-Bewährungsausschuß. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft erklärte, die Entlassung Peltiers auf Bewährung »würde die Schwere seines Verbrechens herunterspielen und Respektlosigkeit gegenüber dem Gesetz fördern«.
Peltiers Verteidiger Eric Seitz zeigte sich entsetzt darüber, daß ihn die Nachricht über die Ablehnung des Bewährungsantrages zuerst über die Medien erreicht hatte: »Der Bewährungsausschuß war nicht so anständig, mich umgehend zu informieren!«
Leonard Peltier, Angehöriger des Volkes der Anishinabe-Lakota, für dessen Freilassung sich seit Jahrzehnten weltweit Millionen Menschen einsetzen, hatte am 28. Juli zum ersten Mal nach 15 Jahren Gelegenheit, seinen Antrag auf Entlassung zur Bewährung in einer mündlichen Anhörung zu begründen (jW berichtete). Rechtsanwalt Seitz wies jetzt in einer Stellungnahme die Behauptung, sein Mandant habe keine Reue gezeigt, scharf zurück: »Leonard Peltier hat sein Bedauern ausgedrückt über die Vorfälle von 1976, bei denen zwei FBI-Agenten und ein AIM-Aktivist in der Pine-Ridge-Reservation getötet wurden. Aber«, so Seitz, »er hat auch herausgestellt, daß damals buchstäblich ein Krieg stattfand zwischen korrupten Stammesführern und ihren Regierungsunterstützern einerseits und AIM-Traditionalisten und jungen Aktivisten andererseits.« Peltier habe zum wiederholten Male erklärt, die beiden Bundespolizeiagenten nicht getötet zu haben. Er habe vielmehr daran erinnert, so Seitz, daß »einer seiner ehemaligen Mitangeklagten mittlerweile zugegeben hat, die tödlichen Schüsse abgefeuert zu haben«. Wenn der Bewährungsausschuß jetzt in seiner Entscheidung behaupte, Peltier sei an »hinrichtungsartigen Morden an zwei FBI-Agenten« beteiligt gewesen, so sei dies »einfach unwahr«, erklärte der Verteidiger. Bis heute sei die Anklagebehörde einen Beweis für die direkte Beteiligung Peltiers schuldig geblieben. Der Bewährungsausschuß habe sich aber offensichtlich die Position der US-Bundesanwaltschaft zu eigen gemacht, daß jemand, der in die Tötung von Bundespolizeibeamten verwickelt gewesen sein soll, »niemals auf Bewährung freikommen, sondern im Gefängnis sterben soll«.
Amnesty International bedauerte die Ablehnung der Bewährung »trotz der Besorgnis über die Fairneß des Strafverfahrens« und wies auf die ungeklärten Ereignisse in der Pine-Ridge-Reservation hin, »bei denen mehr als 60 Indianer getötet wurden«. Die Organisation forderte die sofortige Freilassung des AIM-Aktivisten.
Rechtsanwalt Seitz kritisierte die Festlegung der nächsten Anhörung des Bewährungsschusses auf das Jahr 2024. Dann sei sein bereits heute haftunfähiger Mandant 79 Jahre alt. »Dies entscheiden dieselben Strafverfolgungsbehörden, die weltweit verantwortlich sind für Folter und Morde in CIA-Gefängnissen. Dieselben Institutionen, die den indigenen Völkern gegenüber niemals Respekt gezeigt und niemals die Verantwortung übernommen haben für Intoleranz und Machtmißbrauch.«
Das Netzwerk für politische Gefangene ruft für den morgigen Freitag um 16 Uhr zu einer Solidaritätskundgebung für Leonard Peltier vor der US-Botschaft am Pariser Platz in Berlin auf