Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 188 - 15./16. August 2009
Am 23. Januar 2007 waren acht ehemalige Mitglieder der Black Panther Party (BPP) in Kalifornien, New York und Florida verhaftet und auf kalifornische Gefängnisse verteilt worden. Über 35 Jahre nach Ereignissen der frühen 1970er Jahre wurde erneut gegen sie ermittelt. Der zuständige Haftrichter setzte die Kaution für jeden der acht auf zwei bis fünf Millionen US-Dollar fest. Vorgeworfen wurde ihnen der Mord an einem Polizisten im Jahr 1971. Dafür drohte ihnen lebenslange Haft.
Als die Staatsanwaltschaft auf Betreiben des Heimatschutzministeriums die neuen Ermittlungen anstellte, gingen die Verantwortlichen wohl davon aus, daß es ihnen in der Nachlese der Terrorhysterie des 11. September 2001 ein leichtes sein würde, die acht ehemaligen Black Panthers für den Rest ihres Lebens hinter Gitter zu bringen. Vielleicht hoffte der Staatsapparat auch, die Männer unter dem Druck der Mordanklage kleinkriegen und zu Aussagen bewegen zu können. Alle acht hatten mittlerweile schon ein reiferes Alter, Familie und Jobs. Die Zeit, als sie politisch aktiv waren und sich in der BPP organisiert hatten, lag vier Jahrzehnte zurück.
Aber die Beschuldigten machten ihren Verfolgern einen Strich durch die Rechnung. Sie wehrten sich würdevoll, prinzipientreu und vor allem vereint gegen den staatlichen Angriff, und deswegen trugen sie nun einen gemeinsam erwirkten Sieg davon: Die Anklagen gegen vier von ihnen – Ray Boudreaux, Richard Brown, Hank Jones und Harold Taylor – wurden komplett fallengelassen. Jalil Muntaquin und Hermann Bell aus New York – beide dort seit fast 40 Jahren in Haft, verurteilt wegen ähnlicher Anklagen aus der Zeit des »Krieges an der Heimatfront«, so ein Ausspruch des ehemaligen FBI-Direktors J. Edgar Hoover–, hatten keinen Einspruch gegen den abgemilderten Vorwurf der Verschwörung zum Totschlag eingelegt. Sie waren schon im Juli zu kurzen Bewährungsstrafen verurteilt worden und wurden nach New York zurückverlegt, wo sie weiter dafür kämpfen, endlich auf Bewährung aus lebenslanger Haft entlassen zu werden.
Auch Francesco Torres bleibt noch hinter Gittern, weil er weiter seine Unschuld betont und deshalb noch einer gerichtlichen Anhörung entgegensieht, von der sachkundige Beobachter aber einhellig erwarten, daß auch die Anklage gegen ihn völlig zusammenbrechen wird. John Bowman ist leider schon verstorben, bevor die Staatsanwaltschaft die Rechtmäßigkeit ihrer Vorwürfe beweisen mußte. Der Verdacht gegen Richard O’Neal, dem letzten der »San Francisco 8«, hatte sich bereits im gerichtlichen Vorverfahren vor einem Jahr als gegenstandslos herausgestellt.
Schon 1973 waren einige dieser Black Panthers unter dem jetzt erneuerten Vorwurf in New Orleans verhaftet und tagelang von der Polizei brutal mit Elektroschocks, Ersticken durch Plastiktüten und »water boarding« gefoltert worden, um ihnen falsche Geständnisse abzupressen – ein Hinweis darauf, daß die Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib in einer fatalen Tradition steht. Wegen der nachgewiesenen Folter waren die Anklagen 1975 von einem Untersuchungsrichter verworfen worden. Die Wiederaufnahme der Ermittlungen über 35 Jahre später liegt daran, daß unter Bush das Justizministerium in ein rein politisches Instrument verwandelt und Folter zu einem legitimen Kampfmittel des Staates erklärt wurde. Natürlich dürfen wir auch nicht vergessen, daß der amtierende kalifornische Justizminister Jerry Brown politische Ambitionen verfolgt. Er möchte Arnold Schwarzenegger als Gouverneur ablösen.
Der Staat mußte nun einräumen, daß die Einstellung des Verfahrens die einzige Konsequenz aus der dürftigen Beweislage war. Dieses Eingeständnis ist vor allem dem solidarischen Verhalten der acht Beschuldigten zu verdanken und einer exzellenten Arbeit der Verteidigung, hier vor allem von J. Soffiyah Elijah von der juristischen Fakultät der Harvard University.
Als ich nach der Verhaftung der »San Francisco 8« zur Solidarität mit ihnen aufrief, wollte ich erreichen, daß etwas für sie getan wird, bevor sie für immer hinter Gefängnismauern verschwinden. Viele haben den Kampf für die »San Francisco 8« aufgenommen und mit für das gute Ergebnis gesorgt, das jetzt erreicht wurde.
Übersetzung: Jürgen Heiser