Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 101 - 2./3. Mai 2009
Vom Aufbau neuer Beziehungen mit den Ländern Lateinamerikas sprach US-Präsident Barack Obama jüngst in Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad und Tobago, auf dem Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Dabei hatte er es mit seiner zurückhaltenden und nachdenklichen Präsenz nicht schwer, sich in jeder Hinsicht von dem Geprotze und polternden Gehabe seines Vorgängers George W. Bush abzuheben. Dennoch war man bei seinem Auftreten auch ohne diesen Vergleich an eine längst vergangene und vergessene Zeit erinnert – die Ära des John F. Kennedy. Die Frage ist nur, ob sich Obama von Kennedy letztlich nur im Stil unterscheidet oder auch in der Substanz seiner Politik.
Seit der Amtszeit des fünften US-Präsidenten James Monroe (1817–1825) haben die USA gegenüber den Nachbarländern im Süden eine Politik der Dominanz, Einmischung in die inneren Angelegenheiten und Kontrolle verfolgt. Unliebsame Regierungen wurden gestürzt, Diktatoren an der Macht gehalten, Militärputsche unterstützt und Armeen trainiert und finanziert, um sozialistische Bestrebungen und Gewerkschaftsbewegungen zu unterdrücken. All dies geschah seitdem im Namen der Monroe-Doktrin.
Im Rahmen dieser Doktrin, mit der die USA den außenpolitischen Anspruch auf das alleinige Bestimmen über die Geschicke aller Länder der amerikanischen Hemisphäre erhoben, traten US-Regierungen verschieden auf, die einen laut und fordernd, andere schlugen eher leise Töne an. Die wesentlichen Grundlagen der US-Außenpolitik aber blieben über alle Zeiten gleich; die lateinamerikanische Region wurde stets als der »Hinterhof« der USA betrachtet.
Nun aber erlebt Lateinamerika eine Wiedergeburt, die ihre Ursache zum Teil in einem breiten Volkswiderstand gegen die US-Vorherrschaft über nationale Ökonomien, Regierungen und Politik hat. Daraus ist eine Reihe demokratisch gewählter linker Regierungen erwachsen, deren Entstehung und auf den Schutz der nationalen Ressourcen ausgerichtete Politik niemanden wundert, der sich näher mit der lateinamerikanischen Geschichte befaßt. Diese ist gezeichnet von Interventionen der USA in Chile, Kolumbien, Kuba, El Salvador, Nicaragua, Guatemala, Panama, Grenada, Haiti, in der Dominikanische Republik und vielen Ländern mehr. Dazu sei erwähnt, daß keine US-Regierung Diktatoren gestützt hat, die sie nicht auch schätzte.
Am besten läßt sich diese imperialistische Politik am Beispiel der Dominikanischen Republik verdeutlichen. Nachdem mit Hilfe der CIA 1961 der Diktator Rafael L. Trujillo ermordet worden war, wurde Dr. Juan Bosch 1963 zum Präsidenten gewählt. Weil er den USA aber zu fortschrittlich erschien, wurde er schon nach sieben Monaten wieder durch einen von der CIA gesponserten Militärputsch gestürzt. US-Präsident Lyndon B. Johnson von den Demokraten setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um Joaquin Balaguer an die Macht zu bringen, einen Zögling Trujillos, der seinen früheren Boß bei der Entfesselung der blutigen Repression noch bei weitem übertraf. 42000 US-Soldaten besetzten 1965 das Land und ebneten Balanger den Weg.
Nach der Intervention lud Johnson zwei republikanische Kongreßabgeordnete ins Weiße Haus ein und rühmte sich vor ihnen, sein Handeln habe »bewiesen, daß demokratische Präsidenten genauso hart mit Kommunisten umspringen können wie republikanische«. Die Bevölkerung der Dominikanischen Republik hatte 30 Jahre lang unter einer brutalen Diktatur zu leiden, die sich nur mit Hilfe der USA halten konnte.
Wenn US-Präsident Obama heute von »neuen Beziehungen« spricht, dann wäre die Voraussetzung dafür, sich von einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der lateinamerikanischen Nachbarstaaten, von Interventionen und von Subversion gegen ihre gewählten Regierungen zu verabschieden. Kennedy trat überall mit einem Lächeln auf, und er war ein geschickter Politiker, aber wenn er sich nicht durchsetzen konnte, dann gab er ohne zu zögern seinen Ledernacken von den Green Berets den Marschbefehl. Wirklich veränderte Beziehungen mit den Ländern und Völkern Lateinamerikas würden bedeuten, daß der US-Imperialismus sein Ende findet.
(Übersetzung: Jürgen Heiser)