Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 56 - 7./8. März 2009
Alle Imperien der Menschheitsgeschichte basierten auf Verbrechen. Den Fortbestand eines Imperiums zu sichern, brachte immer die Verpflichtung mit sich, etwas zu verteidigen, was jeweils nur mit neuen Verbrechen möglich war. Mittels militärischer Interventionen weiten Imperien ihren Einflußbereich aus und sichern diesen, indem Besatzungsmächte und Regimes installiert werden, die sich vor allem auf Repression, Folter und brutale Unterdrückung verstehen. Diese allen Imperien innewohnende Natur beweist die Menschheitsgeschichte anhand vieler Beispiele.
Das Römische Reich hat sich über die damals bekannte Welt hergemacht und gewaltige Verwüstungen angerichtet, um Rom, die »ewige Stadt«, reich und mächtig zu machen. Die römischen Heere fielen in fremde Länder ein, die besiegten Herrscher und Eliten wurden erschlagen oder versklavt, Marionettenregierungen traten an ihre Stelle, Rohstoffe und Reichtümer wurden außer Landes geschafft, um den immerzu nach Futter gierenden Schlund Roms zu füllen.
Nachdem das von George W. Bushs Clique geführte US-Imperium an seine Grenzen gestoßen war, hat die Wahl Barack H. Obamas zum neuen US-Präsidenten Millionen Afroamerikaner eine neue Sichtweise der Vereinigten Staaten nahegelegt. Hatten sie das Land bislang eher mit ambivalenten Gefühlen betrachtet, beziehen sich diese nunmehr zum ersten Mal in der US-Geschichte positiv auf das Land, in dem sie leben. Sie identifizieren sich mit ihm und entwickeln ein »Wir-Gefühl «, anstatt sich wie bisher durch die Trennung in »wir hier unten« und »die da oben« abzugrenzen. Diese Veränderung könnte ein Wendepunkt in der USamerikanischen Geschichte sein.
Aber identifizieren wir uns wirklich nur deshalb mit dem US-Imperium, weil ein Mann mit schwarzer Hautfarbe in das Amt des höchsten Repräsentanten des Landes gewählt wurde? Waren wir es denn, die dieses Imperium durch unsere Stimmabgabe erschufen? Oder wurde uns sein Vermächtnis durch unser Kreuz an der Wahlurne vererbt? Die meisten, die Obama gewählt haben, sprachen sich damit vor allem gegen den Irak-Krieg aus, der die deutlichsten imperialen Züge in der neueren USGeschichte trägt. Jede Stimme war als eine Unterstützung für ein möglichst rasches und entschiedenes Ende des Krieges gedacht. Nach landesweiten Umfragen zu urteilen, haben sich von allen US-Bürgern Schwarze am vehementesten gegen den Krieg gewandt – vielleicht wegen der tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannten Erfahrung der am eigenen Leib erlebten Unterdrückung.
Imperien aber, die sich auf Gewalt und Ausbeutung gründen, vergiften nicht nur das Klima ihrer Kolonien, sondern auch ihr eigenes. Das Britische Empire legte sich über Generationen mächtig dafür ins Zeug, über die Hälfte von Afrika, weite Teile Asiens und zwei Drittel Nordamerikas zu erobern und auszubeuten. Doch unter der Last einer notwendigen Verteidigung dieses Weltreiches gegen die aufbegehrenden Völker begann seine Macht zu bröckeln. Gierige Konkurrenten taten ihr übriges und machten dem Empire dessen geraubte Besitztümer streitig. Schließlich war London nicht mehr dazu in der Lage, seine Kolonien zu halten. Und dann waren es die USA, die als stärkste Macht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgingen und vieles von dem »Erbe«, das die Briten verloren geben mußten, übernahmen. Auch andere europäische Mächte traten mancherorts bereitwillig an die Stelle der britischen Kolonialmacht. In Indochina vererbte Frankreich den Vietnamkrieg an die USA, als es dem Widerstand des vietnamesischen Volkes nicht länger standhalten konnte. Die USA zahlten dafür einen hohen Preis, ihre Truppen mußten das Land am Ende selbst fluchtartig verlassen. Was kann gräßlicher sein als ein blutiger imperialistischer Krieg? Imperien und ihre Kriegspolitik sollten deshalb nicht leichtfertig als »Erbe« übernommen werden. Das gilt insbesondere für Länder, in denen es angeblich das Volk ist, das über die Politik bestimmt.
Übersetzung: Jürgen Heiser