Kolumne 7.02.09: Hoffen auf den Wandel

07.02.09 (von maj) Iraker afrikanischer Herkunft wollen ihr Dasein als ausgegrenzte Minderheit hinter sich lassen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 32 - 7./8. Febr. 2009

In der konservativen Boulevardzeitung USA TODAY vom 18. Januar 2009 war unter dem Titel »Obama’s rise inspires African Iraqis in politics« (Obamas Aufstieg inspiriert die Politik afrikanischer Iraker) ein Artikel von Aamer Madhani zu lesen, der über die Situation schwarzer Iraker berichtet. Am Beispiel der schwarzen Gemeinde von Basra beschrieb Korrespondent Madhani, welche Hoffnungen die Wahl Barack H. Obamas zum US-Präsidenten auch unter Schwarzen im Irak geweckt hat, ihre Lage nun endlich verbessern zu können.
Für viele im Ausland mag die Existenz von Irakern afrikanischer Herkunft eine Neuigkeit sein, nicht so für Iraker selber. Von den 28 Millionen Gesamtbevölkerung stellen schwarze Iraker mit schätzungsweise 300000 etwas über ein Prozent. Sie sind Nachfahren von afrikanischen Sklaven, die vor weit über tausend Jahren aus ihren angestammten Heimatländern nach Mesopotamien verschleppt wurden. Im Zweistromland mußten sie Zwangsarbeit verrichten, unter anderem in den Salzminen der Region.
Im 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung organisierten die schwarzen Sklaven von Basra einen machtvollen und erfolgreichen Aufstand, der als »die Revolte der Zenj« in die Geschichte einging. »Land der Zenj« (vom arabischen »Zenj« für Schwarze) wurden die südöstlichen Küstengebiete Afrikas genannt, aus denen Millionen schwarze Sklaven, die in die arabische Region verkauft worden waren, ursprünglich stammten. Aus »Zenjabar« wurde später Zanzibar (Sansibar), das 1964, nachdem das benachbarte Tanganjika seine Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht erlangt hatte, mit diesem zum Staat Tansania vereinigt wurde. Nach den Aufzeichnungen arabischer Historiker dauerte der Aufstand der Zenj in Basra von 868 bis 883. Doch die vorübergehend in die Flucht geschlagenen Sklavenhalter kehrten zurück, warfen den Aufstand schließlich nieder, töteten viele der befreiten Sklaven und unterjochten die Überlebenden erneut.
Die heutigen schwarzen Iraker und ihre unmittelbaren Vorfahren sind schon lange keine Sklaven mehr, aber sie erfahren immer noch Diskriminierung im alltäglichen Leben, erhalten in der Regel nur eine schlechte Schulbildung, sind oft arbeitslos und zu einem Leben in Armut gezwungen. Im südöstlich vor Basra gelegenen Zubayr leben die meisten Schwarzen in sehr schlichten Stein- oder Lehmhütten, die zum Teil schon dreihundert Jahre alt sind. Khalid Madjid, Vater einer sechsjährigen Schülerin aus Basra, erzählte dem Korrespondenten Aamer Madhani, er habe seine Tochter aus der Schule genommen, weil sie von Mitschülern mit dem arabischen Begriff »abd« (Sklave) oder anderen Schimpfwörtern diskriminiert wurde. »Ich will natürlich, daß sie Lesen und Schreiben lernt«, erklärte Madjid, »aber ich kann es nicht zulassen, daß sie deshalb so unter diesen Problemen leiden muß.« Was die Schülerin erlebt hat, ist die durchgängige Erfahrung vieler schwarzer Iraker, die von ihren arabischen Landsleuten als Menschen zweiter Klasse angesehen werden.
Wie alle ausgegrenzten Minderheiten haben sich auch die schwarzen Iraker weit zurückreichende Traditionen bewahrt. Bis heute singen sie mündlich überliefertes Liedgut aus ihrer afrikanischen Vorgeschichte, das bis zu 1500 Jahre alt ist. Am 31. Januar haben sich nun jene, die sich von Barack H. Obama inspiriert fühlen, als Partei unter dem Namen Freie Irakische Bewegung an den irakischen Provinzwahlen beteiligt, ohne sich große Chancen für ihre acht Kandidaten auszurechnen. »Wir haben Obamas Botschaft gehört, daß ein Wandel möglich ist«, erklärte Jalal Chijeel, Generalsekretär der neuen Partei, »und auch Irak braucht einen Wandel in der Frage, wie seine Mitbürger mit schwarzer Hautfarbe angesehen werden. Unsere arabischen Brüder müssen lernen, uns als gleichwertig zu akzeptieren.«

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 23.11.2024 um 15:05:32 Uhr