Aus: junge Welt Nr. 236 - 9. Oktober 2008
Der Oberste Gerichtshof der USA hat am vergangenen Montag einen Antrag der Verteidigung des 1982 unter dem Vorwurf des Polizistenmordes zum Tode verurteilten Journalisten Mumia Abu-Jamal zurückgewiesen. Rechtsanwalt Robert R. Bryan aus San Francisco hatte in diesem im Juli gestellten Antrag noch einmal alle Fakten zusammengetragen, die belegen, daß Staatsanwaltschaft und Gericht das Todesurteil 1982 nur erreichen konnten, weil die Akten manipuliert und Belastungszeugen von der Polizei zu Falschaussagen gezwungen worden waren. Die Zeugen haben ihre Aussagen schon seit geraumer Zeit zurückgezogen und die Wahrheit gegenüber der Verteidigung in eidesstattlichen Erklärungen niedergelegt.
Seit dem ersten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Jahr 1995 war die Notwendigkeit des erneuten Aufrollens des Prozesses immer wieder mit diesen unterdrückten Beweisen begründet worden. Zuletzt hatten im Jahr 2005 Richterin Pamela Dembe in Philadelphia und im Februar 2008 der Oberste Gerichtshof des Bundesstaates Pennsylvania in Harrisburg die Einvernahme der Entlastungszeugen aus formaljuristischen Gründen abgelehnt und somit auch kein neues Verfahren zugelassen. Rechtsanwalt Bryan am Dienstag gegenüber jW: »Obwohl wir triftige Beweise dafür vorbringen, daß der Prozeß von 1982 ein reiner Schwindel war, konnte der Oberste Gerichtshof den Antrag von Juli zurückweisen.« Einer der Gründe dafür seien juristische Fehler, die frühere Anwälte Abu-Jamals begangen hätten. »Sie haben die neuen Beweise den zuständigen Gerichten leider nicht in allen Fällen frist- und verfahrensgerecht zur Kenntnis gebracht.« Bryan hatte die Verteidigung erst vor sechs Jahren übernommen und den Fall mit seinem Team völlig neu aufgearbeitet. »Wir haben mit der jetzt erfolgten Zurückweisung unseres Antrages durch den Obersten Gerichtshof der USA gerechnet«, so Rechtsanwalt Bryan.
Abu-Jamals Hauptverteidiger weist nachdrücklich darauf hin, daß die jetzige negative Entscheidung des höchsten US-Gerichts keinen Einfluß auf den eigentlich entscheidenden verfassungsrechtlichen Antrag habe, den er momentan für eben dieses Gericht vorbereitet. Abgabefrist sei der 20. Oktober, er habe aber schon um eine 60tägige Verlängerung nachgesucht. Dieser Antrag sei die Berufung gegen die Entscheidung des Bundesberufungsgerichts in Philadelphia vom 27. März 2008, in der die drei Bundesrichter zwar eine Umwandlung des Strafmaßes in lebenslange Haft angeordnet, die Verurteilung wegen Mordes aber abgesegnet hatten. In der beabsichtigten Änderung des Strafmaßes sei zu erkennen, so Bryan, daß die Bundesrichter sich der Verfassungsproblematik des damaligen Urteils bewußt sind, da die Staatsanwaltschaft schwarze Geschworene aus rassistischen Motiven vom Verfahren ausgeschlossen und die Jury bezüglich der Berücksichtigung mildernder Umstände rechtlich falsch belehrt hatte. Bundesrichter Thomas Ambro hatte sich in der schriftlichen Begründung der Entscheidung vom 27. März in einem Minderheitsvotum sogar für ein neues Verfahren ausgesprochen. Die Ablehnung einer Anhörung wegen des Ausschlusses schwarzer Geschworener verstoße »gegen unsere eigenen früheren Entscheidungen. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht auch Abu-Jamal die Vorteile dieser Präzedenzfälle gewähren sollten«.
Richter Ambro hatte mit seinen Ausführungen auf das Grundsatzurteil von 1986 im Fall Batson gegen Kentucky verwiesen, das den Anspruch auf einen neuen Prozeß festschrieb, wenn es in einem Prozeß nachweislich zum Ausschluß von Geschworenen wegen ihrer Hautfarbe gekommen war. Genau das war im Verfahren gegen Abu-Jamal geschehen, in dem Staatsanwalt McGill 1982 mit zehn seiner 15 Einsprüche Jurykandidaten ablehnte, weil sie Schwarze waren.
Auch für die Staatsanwaltschaft gilt nun die Frist 20. Oktober für ihre Berufung gegen die noch nichts rechtskräftige Umwandlung der Strafe in lebenslange Haft. Will die Anklagebehörde das Todesurteil aufrechterhalten, muß sie eine Neuverhandlung über das Strafmaß beantragen, über das eine neu zu wählende Jury befinden würde. Mumia Abu-Jamal und seiner Verteidigung geht es mit dem nun in Vorbereitung befindlichen Antrag an den Obersten Gerichtshof der USA, in dem der durchgängige Rassismus in der 26jährigen Geschichte dieses Verfahrens als eklatanter Verstoß gegen die US-Verfassung gebrandmarkt wird, darum, ein völlig neues und faires Verfahren durchzusetzen. Robert R. Bryan: »Ich werde nicht eher ruhen, bis mein Mandant frei ist und zu seiner Familie zurückkehren kann.«
[Siehe hierzu das »Legal Update« der Verteidigung zu dem jetzt abgelehnten Antrag, das die Freedom-Now Online-Redaktion im englischen Original als nachfolgende Nachricht veröffentlicht. Bitte hier klicken![1]]