Sabine Kebir (P.E.N.):
Es spricht nun Robert R. Bryan, Mumia Abu-Jamals Hauptanwalt, der extra von San Francisco angereist ist, um an unserem »Abend für Abu-Jamal« teilzunehmen.
Robert R. Bryan:
Guten Abend, ich spreche heute abend hier im Namen meines Mandanten Mumia Abu-Jamal. Als ich zuletzt mit Mumia sprach – das war gestern telefonisch, bevor ich San Francisco verließ –, da bat er mich, Ihnen heute abend deutlich zu machen, daß es im weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe und gegen Menschenrechtsverletzungen nicht um ihn als Person geht geht, sondern daß er zu einem Symbol dieses Kampfes geworden ist. Dazu paßt, daß mich eben hier eine Nachricht auf meinem Handy erreichte. Sie stammt von einer Eva, und sie schreibt mir [liest vom Display ab]: »Ich danke Ihnen für das, was Sie tun. Gott, ich wünschte, wir könnten Mumia befreien! Er ist eine Stimme der Vernunft in einer wahnsinnigen Welt!«
Als wir vor der Veranstaltung unten im Brecht-Keller zusammensaßen, wurde ich gefragt, ob ich den ganzen Weg von San Francisco nach Berlin gemacht habe, nur um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Meine Antwort ist: ja, ich habe eine Zeitzone von neun Stunden überwunden und bin heute mittag hier eingeflogen, nur um an diesem Abend teilzunehmen! [Beifall]
Es gibt einige Gründe, warum ich heute hier bin. Der erste ist sicherlich, daß P.E.N. die älteste Menschenrechtsorganisation der Welt ist. Diese Organisation von Schriftstellerinnen und Schriftstellern gibt es mit über 140 Zentren in 104 Ländern, und sie ist ein helles Licht in der Welt mit ihren Kampagnen zum Schutz vieler Schriftsteller, die diskriminiert oder ins Gefängnis geworfen werden, weil sie ihre Überzeugungen offen geäußert haben.
Ich spreche auch heute abend hier, weil Mumia Abu-Jamal im letzten Jahr die Ehre erwiesen wurde, als Vollmitglied in das P.E.N. American Center aufgenommen zu werden. Die Initiative ist von meiner Frau Nicole ausgegangen, die mich seit längerem gedrängt hat, Mumia dem P.E.N. in den USA als neues Mitglied vorzuschlagen. Im letzten Jahr habe ich dann endlich beim zuständigen P.E.N. Center in New York den Antrag gestellt. Eine Weile danach rief mich der dortige P.E.N.-Direktor an und sagte, man nehme an, Mumia solle als Ehrenmitglied aufgenommen werden, weil er im Gefängnis sitzt. Ich widersprach und sagte: Nein! Er soll als normales Mitglied aufgenommen werden wie Walter Kaufmann, Norman Mailer, E. L. Doctorov, Alice Walker und andere. Er sitzt zwar im Todestrakt, aber ich möchte gern, daß er Mitglied wird, weil er ein guter Schriftsteller ist. Ein paar Wochen später erhielt ich die Mitteilung [vom 26. Juli 2007], daß Mumia als Vollmitglied aufgenommen worden ist. Als ich Mumia in unserem nächsten Verteidigergespräch davon berichtete, kamen ihm vor lauter Freude die Tränen, und er sagte: »Robert, du kannst nicht ermessen wie wichtig es für mich ist, von den anderen Schriftstellern akzeptiert zu werden, und nicht etwa, weil ich in der Todeszelle sitze und ein politischer Gefangener bin, sondern weil ich als Journalist und Schriftsteller arbeite!«
Und wie Sie heute abend hier durch die von Brigitte Burmeister, Lothar Trolle und Rolf Becker vorgetragenen Texte erleben konnten, hat Mumia fünf Bücher geschrieben. Als ich zuletzt mit ihm sprach, bat ich ihn, mir die Bedingungen zu beschreiben, unter denen er in der Zelle arbeiten muß, damit ich Ihnen hier heute abend davon berichten kann. Im Todestrakt befindet er sich in einer kleinen Zelle in ständiger sensorischer Deprivation, also Einzelhaft unter weitestgehendem Ausschluß sinnlicher Wahrnehmungen. In der Zelle gibt es nur eine Pritsche, eine Kloschüssel, einen Stuhl und einen kleinen Tisch, und dazwischen hat er nur einen Bewegungsraum von einem halben Meter. Und natürlich hat er dort wie alle anderen Gefangenen in der Welt keinen Computer zur Verfügung. Er hat nur eine sehr antiquierte Schreibmaschine. Mumia sagte dazu: »Ich bin noch ein Schriftsteller der alten Schule, der seine Texte noch mit der Hand schreibt.« Wenn er dann ein Kapitel mit der Hand verfaßt hat, tippt er es mit seiner Schreibmaschine ab. Er hat keinen Zugang zum Internet und kann sich nicht auf andere Quellen stützen, wie sie uns allen zur Verfügung stehen. Ich habe ihn gefragt, wie es ihm möglich sei, unter solchen Bedingungen ganze Bücher zu verfassen. Er hat darauf schlicht geantwortet: »Robert, es bereitet mir einfach großes Vergnügen, mich hinsetzen und schreiben zu können.«
Ich hoffe, daß es Ihnen durch die kurzen Einblicke, die ich Ihnen jetzt gegeben habe, möglich ist, in Gedanken Mumias Zelle zu betreten und zu verstehen, was es für ihn bedeutet, unter den Bedingungen der Haft im Todestrakt zu schreiben. Er ist nicht der einzige Schriftsteller auf der Welt, der gezwungen ist, im Gefängnis zu schreiben. Es gibt leider sehr viele. Stellvertretend möchte ich deshalb Sabine Kebir, die diesen Abend mit uns vorbereitet hat, und ihren Kolleginnen und Kollegen vom P.E.N. für all das danken, was Sie für inhaftierte Schriftstellerinnen und Schriftsteller tun.
Wir haben jetzt über Mumia Abu-Jamal als Schriftsteller gesprochen, aber ich bin auch gebeten worden, noch etwas zur aktuellen juristischen Situation und zum Kampf für Mumias Freiheit zu sagen.
[Diese Ausführungen decken sich mit der am 13. April 2008 auf der IVK-Website www.freedom-now.de veröffentlichten aktuellen Stellungnahme von Robert R. Bryan (Bitte anklicken!)[1] und werden deshalb hier ausgespart. – Weiter Robert R. Bryan:]
Obwohl mein Mandant und ich voller Hoffnung sind, einen neuen Prozeß vor einer neugewählten Jury durchsetzen zu können, bleibt für Mumia weiterhin die große Gefahr bestehen, daß er am Ende doch hingerichtet werden könnte. Während wir hier in diesem schön gestalteten Raum beisammen sitzen, befindet Mumia sich weiterhin in seiner Zelle im Angesicht des Todes. Deshalb danke ich Ihnen allen auch im Namen von Mumia Abu-Jamal dafür, daß Sie heute abend hier waren und Interesse an seinem Fall und seiner Arbeit gezeigt haben. Ich sehe viele Freundinnen und Freunde hier, die unseren Kampf schon seit Jahren unterstützen. Besonders möchte ich noch der Berliner Rechtsanwaltskammer und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein für ihren Einsatz gegen Menschenrechtsverletzungen danken.
Ich möchte nun den Kreis wieder schließen und zum Ausgangspunkt dieser P.E.N.-Veranstaltung zurückkehren: Mumia steht als Symbol und Repräsentant für alle anderen gefangenen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, und ich möchte Ihnen noch einmal ausdrücklich dafür danken, daß Sie sich für ihn einsetzen!
[Beifall]
Dolmetscher in der Abendveranstaltung: Walter Kaufmann (P.E.N.)
Übersetzung des Transkripts: Jürgen Heiser