Liebe Freundinnen und Freunde,
dies ist eine aktuelle Mitteilung über den Stand der Dinge im Verfahren meines Mandanten Mumia Abu-Jamal, der seit über einem Vierteljahrhundert Gefangener in den Todestrakten Pennsylvanias ist.
US-Bundesberufungsgericht für den 3. Gerichtsbezirk, Philadelphia
Nach wie vor warten wir auf die Entscheidung des Bundesberufungsgerichts. Ich stehe in direktem Kontakt mit dem Gericht und werde sofort alle alarmieren, sobald die Entscheidung des Gerichts ergangen ist. Eine öffentliche Anhörung vor diesem Gericht [über die Argumente von Verteidigung und Staatsanwaltschaft] hat bereits am 17. Mai 2007 stattgefunden. Viele Interessierte fragen deshalb, warum das Gericht sich so viel Zeit läßt mit seiner Entscheidung. Dieser Fall ist äußerst kompliziert, und es geht dabei um Verfassungsfragen von außerordentlich hoher Bedeutung, außerdem müssen riesige Aktenberge bewältigt werden. In den drei Jahrzehnten, in denen ich Verteidiger in zahllosen Mordprozessen mit drohender Todesstrafe war, habe ich keinen Fall erlebt, der komplizierter war.
Es ist unmöglich einzuschätzen, wie das Bundesberufungsgericht entscheiden wird, aber der Vorlauf mit unseren Anträgen und Stellungnahmen war zufriedenstellend, obwohl einige juristische Fehler früherer Verteidiger uns Probleme bereiteten. Wenn das Bundesberufungsgericht dem Auftrag der US-Verfassung folgt, müßte es allerdings zu Gunsten meines Mandanten entscheiden. Dennoch befindet Mumia sich in Gefahr, weil Gerichte bekanntermaßen unberechenbar sind.
Es sind mehrere Szenarios vorstellbar, wie das Bundesberufungsgericht entscheiden könnte:
1.das Bundesgericht ordnet einen neuen Prozeß mit völlig neuer Beweisaufnahme an;
2. es ordnet eine Verhandlung vor einer neu zu wählenden Jury nur über die Frage des Strafmaßes lebenslange Haft oder Todesstrafe an;
3. es verweist den Fall an das zuständige Bezirksgericht zur weiteren Verhandlung zurück oder
4. es weist alle Berufungsbegehren zurück, wodurch das Todesurteil unangetastet bliebe.
[Anmerkung vom IVK: Wer sich näher mit den juristischen Aspekten der anstehenden Entscheidung befassen möchte, lese den Artikel von Dave Lindorff[1] (anklicken!) auf dieser Website]
Oberster Gerichtshof Pennsylvanias, Harrisburg
Mehr als zwei Jahre lang haben wir vor dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias Anträge eingebracht, in denen wir uns mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft befasst haben, die das Verfahren mit Falschaussagen von Augenzeuginnen und manipulierten Beweisen beeinflußt hat. Unter dem Aktenzeichen »Commonwealth v. Abu-Jamal,__A.2d__, 2008 WL 434567 (Pa.Feb. 19, 2008)« hat der Gerichtshof unlängst jede Abhilfe abgelehnt. [Siehe Artikel[2] (anklicken!") von Jürgen Heiser auf dieser Website]
Mumia und ich haben unmittelbar nach der Entscheidung vom 19. Februar 2008 die folgende Erklärung veröffentlicht:
»Mumia und ich haben heute Nachmittag eine längere Konferenz abgehalten. Wir waren von der aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht überrascht. Dieser Gerichtshof kann eine lange Tradition aufweisen: Er hat sich weder mit dem Rassismus noch mit den Manipulationen seitens der Anklagebehörde befaßt. Beide Faktoren prägen dieses Verfahren seit einem Vierteljahrhundert. Indem das Gericht den Antrag nun aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt hat, mußte es sich nicht mit aussagefähigen Fakten auseinandersetzen. Diese machen deutlich, daß die Verurteilung meines Mandanten nur durch Lügen, Halbwahrheiten und einen fanatischen Verurteilungswillen möglich war. Es ist bedauerlich, daß das höchste Staatsgericht mögliche Fehler früherer Verteidiger in diesem Fall als Vorwand nutzt, die Wahrheit zu unterdrücken.
Die Entscheidung des Gerichtshofs hat indes keinen Einfluß auf die vor dem US-Bundesberufungsgericht für den 3. Bezirk anhängige Entscheidung. Wenn das Bundesberufungsgericht zu unseren Gunsten entscheidet, ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania irrelevant. Andernfalls plane ich, den Obersten Gerichtshof der USA in Washington D.C. anzurufen. Ich werde nicht ruhen, bis Mumia frei ist.«
Zur Unterstützung in einzelnen Ländern:
Deutschland
Am 12. Januar 2008 habe ich im Namen von Mumia auf der alljährlichen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin gesprochen. Am Ende meiner Rede erhielt ich von den zweitausend Anwesenden langen und enthusiastischen Applaus. Das Publikum zollte damit meinem Mandanten Anerkennung, der zu einem Symbol im internationalen Kampf gegen die Todesstrafe und gegen Menschenrechtsverletzungen geworden ist. Mumia hat mich gebeten, den vielen guten Leuten in Deutschland, die unermüdlich für die Gerechtigkeit eintreten, seinen Dank zu übermitteln. Dazu gehören vor allem sein langjähriger deutscher Verleger und Vertrauter Jürgen Heiser, der Menschenrechtsanwalt Eberhard Schultz, Sabine Schubert, Petra Siemering, Victor Grossman, George und Doris Pumphrey, der angesehene Schauspieler Rolf Becker, der renommierte Filmemacher Thomas Giefer, die bekannte Schriftstellerin Sabine Kebir und das Deutsche PEN-Zentrum.
Frankreich
Professorin Claude Guillaumaud-Pujol hat ein exzellentes Buch geschrieben: »Mumia Abu-Jamal – Un homme libre dans le couloir de la mort« (MAJ - Ein freier Mensch im Todestrakt). Es ist im vergangenen September erschienen. Mumia hat seine Veröffentlichung unterstützt, und es verkauft sich gut. Claude spendet die Einnahmen ihres Buches für Mumias Verteidigung und für den Kampf um seine Freiheit. Die Autorin steht für den hohen Standard der Bewegung in Frankreich, weil sie sich völlig dem Kampf für die Gerechtigkeit und für Mumias Freiheit verschrieben hat und mit ihrem Buch nicht versucht, meinen Mandanten auszubeuten. Mumia sendet seinen Dank an Claude, Jacky Hortaut, Mireille Mendes-France, Jacques Lederer, das Collectif Unitaire National de Soutien à Mumia Abu-Jamal, Senatorin Nicole Borvo Cohen-Seat, die Anwaltskammer von Paris und die vielen anderen in Frankreich, die so viel tun.
England
Im Namen von Mumia danke ich Niki Adams, der legendären Selma James und der Kolleginnen der beiden von Legal Action for Women, London, für ihr permanentes Eintreten für Gerechtigkeit nicht nur in England, sondern überall auf der Welt. Ich schulde ihnen vor allem Dank für ihr außerordentliches Engagement, das in Veranstaltungen für Mumia im Inns of Court [Sitz der engl. Anwaltskammern] und anderen britischen Veranstaltungsorten sowie eine Petition mit der Forderung nach Gerechtigkeit und nach einem neuen Prozeß für Mumia mündete. Über 130 prominente Anwälte haben diese Petition unterzeichnet und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Unrecht in diesem Verfahren gelenkt. Dank natürlich auch an Ian McDonald QC von den Garden Court North Chambers, einem hervorragenden Rechtsanwalt und Freund, für seine außerordentlichen Bemühungen.
In Prison My Whole Life, britischer Kinofilm
Der neue britische Dokumentarfilm »In Prison My Whole Life« ist bereits auf einigen angesehenen Filmfestivals gezeigt worden, u.a. auf dem Internationalen Filmfestival & Menschenrechtsforum in Genf, Schweiz, dem Sundance Filmfestival in den USA, den Filmfestivals in Belfast, London, Rom, Kopenhagen und Dublin. Erst kürzlich ist der Film in einer Sondervorstellung vor Mitgliedern des britischen Unterhauses gezeigt worden. Mumia und ich danken Colin und Livia Firth und ihren Mitstreitern, die den Mut hatten, diesen Film zu machen. Sie genießen meine volle Unterstützung und die meines Mandanten, weil dieser wertvolle Film sich mit den großen Themen Todesstrafe, Rassismus und Unrecht auseinandersetzt.
Spenden in den USA für Mumias Verteidigung
Mit Mumias Autorisierung wurde ein Verfahren etabliert, das garantiert, daß eingehende Spenden ausschließlich der Verteidigung zugute kommen und steuerbegünstigt sind. Schecks sollten auf die National Lawyers Guild Foundation ausgestellt sein (mit dem Verwerk »Mumia«) und per Post an folgende Adresse geschickt werden:
Comittee To Save Mumia Abu-Jamal, P.O.Box 2012, New York, NY 10159-2012
Spenden in der BR Deutschland und im benachbarten EU-Ausland
Mit dem Internationalen Verteidigungskomitee (IVK) Bremen besteht eine rechtsverbindliche Vereinbarung, daß die auf dem nachfolgenden Spendenkonto eingehenden Spenden ebenfalls ausschließlich der Verteidigung zufließen.
Unter dem Stichwort »Verteidigung« Spenden bitte an:
Archiv 92/Sonderkonto Jamal
S.E.B. Bank Bremen
Konto-Nr. 100 8738 701 (BLZ 290 101 11)
(Überweisungen aus EU-Ländern: IBAN DE78 2901 0111 1008 7387 01 - BIC: ESSEDE5F290)
Bei Spenden über 100 Euro möglichst kurze Nachricht an:
IVK Bremen, P.O.Box 150530, D-28095 Bremen,
E-mail: ivk@freedom-now.de
Schlußbemerkung
In der Auseinandersetzung mit diesem Fall geht es um das Recht auf ein faires Verfahren, den Kampf gegen die Todesstrafe und die politische Unterdrückung eines engagierten Schriftstellers und Journalisten. Es geht mir darum, ein neues und faires Verfahren für Mumia zu erstreiten, das mit einem Freispruch durch die Jury endet. Ich möchte, daß mein Mandant den Gerichtssaal als freier Mann verlassen und zu seiner Familie zurückkehren kann. Trotzdem befindet sich Mumia in großer Gefahr, denn wenn wir den juristischen Kampf verlieren, wird er hingerichtet. Wir dürfen niemals vergessen, daß Rassismus, Fälschung von Beweisen und Politik dieses Verfahren von Anfang an bestimmt haben und es noch heute beeinflussen.
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.
Mit herzlichen Grüßen,
Robert R. Bryan, Law Offices of Robert R. Bryan, 2088 Union Street, Suite 4, San Francisco, CA 94123-4117, USA
Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal
+++Ende IVK-News-Ticker / 12. März 2008+++Ende IVK-News-Ticker / 12. März 2008++++++ Ende IVK-News-Ticker / 12. März 2008++++++++