Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 52 - 1./2. März 2008
Als sich das Presseamt des Weißen Hauses mit der Meldung an die Öffentlichkeit wandte, der kubanische Staatspräsident Fidel Castro habe erklärt, er werde sich für seine bisherigen Ämter nicht mehr zur Wahl stellen, brachen in Miamai, Florida – auch »Klein Havanna« genannt – Freudenfeiern unter den Exilkubanern aus. Wie schon knapp zwei Jahre zuvor, als Commandante Fidels kritischer Gesundheitszustand bekannt wurde, hofften die Jubelnden auch jetzt, Castros Ende sei nah. Miami ist die heimliche Hauptstadt der militant-rechten Castro-Gegner in den USA, die seit fünfzig Jahren darauf hoffen, das sozialistische Gesellschaftssystem der Karibikinsel wieder beseitigen zu können.
Aber Fidels Position an der Spitze des revolutionären Kuba, die er fast fünf Jahrzehnte innehatte, hat bedeutsame Auswirkungen gehabt, die weit über die Insel hinausreichen und in Lateinamerika und weiten Teilen der Welt ihre Spuren hinterließen. Fidel Castro hat sich nun aus der aktiven Politik zurückgezogen, aber während er diesen Schritt in seinem Land vorbereitete, sind ein halbes Dutzend seiner ideologischen Töchter und Söhne in lateinamerikanischen Nachbarländern durch demokratische Wahlen in die Staatsführung gewählt worden. Mögen sie im einzelnen auch unterschiedlich sozialistisch oder nationalistisch orientiert sein, für sie alle war die kubanische Revolution eine große Inspiration. Hugo Chavez, Präsident von Venezuela, hat beispielsweise eine kontinentale und internationale Perspektive eröffnet, mit der sich sein Land kämpferisch der interventionistischen Politik des von den USA gestützten Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank widersetzt.
Lateinamerika hat sich unter dem Eindruck des standhaften Beispiels der kubanischen Revolution von der Herrschaft der von den USA offen oder heimlich an die Macht gebrachten brutalen Diktaturen der Putschgeneräle befreit und sich den linken und demokratischen Parteien und Volksbewegungen zugewandt.
Vor allem auf dem Gebiet der Bildung ist die Entwicklung Kubas seit der Revolution von 1959 beispielhaft. In Zentral- und Südamerika liegt die durchschnittliche Analphabetenrate bei 86,4 Prozent. In Kuba können hingegen 98 Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben. In Kubas sozialistischem System sind Bildung und Ausbildung frei.
In der Außenpolitik hat Kuba seine revolutionäre Armee in die Frontreihen des Krieges gegen das südafrikanische Apartheidregime geworfen. Kuba unterstützte das sozialistische Bruderland Angola gegen das aggressive Rassistenregime. Die kubanischen und angolanischen Truppen brachten der südafrikanischen Armee solche empfindlichen Verluste bei, daß die weiße Kolonialregierung in Johannesburg nicht mehr anders konnte, als sich an den Verhandlungstisch zu setzen und am Ende den Weg freizumachen für die erste freigewählte Regierung Südafrikas unter dem umjubelten Präsidenten Nelson Mandela.
Noch in Jahrhunderten werden Fidel Castros Name und Beispiel in der Erinnerung der Völker dieser Welt eng mit der Fähigkeit der Schwachen verbunden sein, sich gegen die Mächtigen zu behaupten.
Übersetzung: Jürgen Heiser