Der 1982 in den USA zum Tode verurteilte Journalist und Autor Mumia Abu-Jamal gehört zu den politischen Gefangenen, an die seit vielen Jahren am Internationalen Tag des politischen Gefangenen erinnert wird. Die Verteidigung rechnet jetzt jeden Tag mit der seit Monaten erwarteten Entscheidung des US-Bundesberufungsgerichts für den 3. Bezirk in Philadelphia. Von diesem Gericht hängt es ab, ob Mumia einen neuen Prozeß bekommt, ob das 1982 ausgesprochene Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt wird oder ob die Bundesrichter die Berufung gegen die Ablehnung des Wiederaufnahmeverfahrens zurückweisen und Mumia damit einer möglichen Hinrichtung näherbringen.
Auf des Messers Schneide
Seit wir vor fast 20 Jahren die Kampagne für Mumia ins Leben gerufen haben, war zu keiner Zeit einer der beiden möglichen Ausgänge in dieser Auseinandersetzung – Hinrichtung oder neuer Prozeß – so zum Greifen nahe wie heute. Als der damalige Gouverneur von Pennsylvania, Thomas Ridge(1) 1995 und 1999 die beiden Hinrichtungsbefehle gegen Mumia unterzeichnete, war auf der gerichtlichen Ebene kein Fünkchen Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Alles lag in der Hand des »Henkers in Richterobe« Albert Sabo, der Mumia nicht nur zum Tode verurteilt hatte, sondern erstaunlicherweise 1995-97 auch über die Frage zu Gericht saß, ob das von ihm selbst gefällte Urteil Unrecht war und deshalb neu aufgerollt werden müßte. Natürlich lehnte dieser voreingenommene Rassist den Wiederaufnahmeantrag der Vertrauensanwälte ab. Und der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias hat bis zu seiner vorläufig letzten Entscheidung vom 19. Februar 2008 die Akten bislang freigehalten von allen Unschuldsbeweisen, die von der Verteidigung seit 1992 zusammengetragen wurden.
Dem entgegen hat das Bundesberufungsgericht im Rahmen einer mündlichen Anhörung am 17. Mai 2007 zu erkennen gegeben, daß es sich als erstes Gericht in der 26jährigen Verfahrensgeschichte ernsthaft mit Anträgen der Verteidigung befaßt, in denen Verfassungsverstöße gerügt werden, die zwingend einen neuen Prozeß erfordern würden.
Die Gefangenen sind Teil unserer Geschichte und Praxis
Mumias Hauptverteidiger, Robert R. Bryan aus San Francisco, zitierte die Reaktion seines Mandanten auf den Ausgang der Anhörung: »Sein Kommentar dazu war: ›Robert, du kennst meine Haltung dazu. Die Leute sollen begreifen, daß es bei der Sache nicht um mich geht. Hier geht es um alle Gefangenen in den Todestrakten dieser Welt. Es geht um alle politischen Gefangenen dieser Welt. Und ich hoffe, daß eine positive Entscheidung in meinem Fall auch anderen helfen wird.‹«
Mumia Abu-Jamal, der schon mit 15 Jahren Pressesprecher der Black Panther Party (BPP) von Philadelphia war und Redakteur der Parteizeitung The Black Panther wurde, hat auch nach dem Ende der BPP nicht aufgehört, für eine Veränderung der nationalen und internationalen Verhältnisse einzutreten, die durch Rassismus, Krieg und kapitalistische Globalisierung bestimmt werden. Er hat es in den zehn Jahren vor seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981 als kritischer und unbequemer Radioreporter gemacht – weshalb er von Polizei und FBI verfolgt wurde –, und er macht es seitdem weiter als Journalist und Schriftsteller aus dem Todestrakt. Wie viele andere politische Gefangene, die in den USA seit Jahrzehnten im Knast sitzen, repräsentiert er die Kontinuität oppositioneller Basispolitik seit den 1960er Jahren. Und so wie in den USA ist es auch in vielen anderen Ländern, in denen die Gefangenen für unsere politische Geschichte stehen. Die Gefangenen und unsere Solidarität mit ihnen müssen deshalb integraler Bestandteil unserer heutigen politischen Praxis sein.
Begreifen und eingreifen – neue Schritte der Bewegung
Genau aus diesem Grund war die Kampagne für Mumia in den 1990er Jahren so erfolgreich, weil viele Menschen in den antirassistischen und antifaschistischen Bewegungen, in den Gewerkschaften und unabhängigen Medien, in den Knastgruppen und sozialen Bewegungen begriffen hatten, daß unsere Solidarität mit den Gefangenen nur so stark und erfolgreich sein kann, wie es uns gelingt, den Kampf für ihre Freiheit und Unversehrtheit in die tägliche Arbeit unserer Bewegungen und Organisationen einzubeziehen.
Wir müssen heute feststellen, daß wir nicht mehr so dastehen wie vor zehn Jahren. Deshalb müssen wir uns einfache Schritte überlegen, wie wir uns neu vernetzen und die Kampagne wieder in die gesellschaftliche Breite entwickeln können, die sie lange Zeit hatte. Wir machen deshalb für die jetzt anstehende Mobilisierungsphase im Kampf für Mumias Leben und Freiheit als Grundlage für eine neue Vernetzung den Vorschlag, daß sich Gruppen, Organisationen, Institutionen und Individuen in den Verteiler »Aus eins mach' drei!« eintragen.
Über diesen Verteiler werden künftig die aktuellen Mitteilungen der Verteidigung und Aktions-Infos der Aktiven in den Städten verschickt. Wer diese Mitteilungen erhält, leitet sie an mindestens zwei neue Adressen weiter; diese schicken sie wieder an mindestens zwei andere weiter – auf diese Weise breiten sich Nachrichten und Termine wie ein Lauffeuer im Netz aus.
Day After-Konzept
Den bereits vor Ort Aktiven empfehlen wir, das zu machen, was das Berliner Bündnis »Freiheit für Mumia Abu-Jamal« empfiehlt:
»Die Unterstützer/innen in den USA haben bereits ein ›DAY AFTER‹-Konzept:
Am Tag nach der Gerichtsentscheidung gibt es in einigen Großstädten Kundgebungen. Drei Samstage später wird nach US-weiter Mobilisierung vor dem Gerichtsgebäude in Philadelphia demonstriert. In Bern (Schweiz) treffen sich Unterstützer/innen am Tag nach der Entscheidung in der autonomen ›Reitschule‹, um eine breite Demonstration zur US-Botschaft vorzubereiten.
In Berlin gibt es parallel abends ein Infotreffen im CLASH, auf dem die Entscheidung des 3. Bundesberufungsgerichtes vorgestellt und eine Demonstration für die kommenden Wochen koordiniert wird.«
Ort und Zeit der DAY AFTER-Treffen in den einzelnen Städten sollen über den den Verteiler propagiert werden, damit wir dann und bei allen weiteren notwendigen Schritten der Kampagne handeln können.
Internationales Verteidigungskomitee (IVK) Bremen
Endnote:
1 Ridge wurde im Nov. 2002 von US-Präsident George W. Bush zum ersten Heimatschutzminister ernannt
[Dieser Artikel wurde zusammen mit einem Beitrag des Berliner Bündnisses »Freiheit für Mumia Abu-Jamal« bereits am 12. März 2008 in der junge Welt-Beilage der Roten Hilfe veröffentlicht.]