junge Welt Nr. 46 - 23./24. Februar 2008
Der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias in Harrisburg hat in dieser Woche einen Berufungsantrag Mumia Abu-Jamals abgelehnt. Der zum Tode verurteilte Journalist und jW-Kolumnist wollte eine Wiederaufnahme seines Verfahrens erreichen, um zu beweisen, daß wichtige Zeuginnen im Prozeß 1982 gelogen hätten. Das höchste Staatsgericht des Bundesstaats lehnte dieses Ansinnen mit der Begründung ab, der Antrag sei »nicht rechtzeitig« gestellt worden.
Abu-Jamal kämpft seit 1995 darum, das gegen ihn verhängte Todesurteil wegen Polizistenmordes aufheben zu lassen und in einem neuen Prozeß seine Unschuld zu beweisen. Seit seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981 erklärte er immer wieder: »Ich habe den Polizisten Daniel Faulkner nicht erschossen!« Sein Hauptverteidiger, Robert R. Bryan aus San Francisco, gegenüber jW: »Die aktuelle Entscheidung hat meinen Mandanten und mich nicht überrascht. Dieser Gerichtshof kann eine lange Tradition aufweisen: Er hat sich weder mit dem Rassismus noch mit den Manipulationen seitens der Anklagebehörde befaßt. Beide Faktoren prägen dieses Verfahren seit einem Vierteljahrhundert.«
Zu den Manipulationen gehörten die Aussagen zweier Belastungszeuginnen, die maßgeblich zur Verurteilung Abu-Jamals geführt hatten. Die Prostituierte Cynthia White wollte gesehen haben, daß Abu-Jamal der Todesschütze war. Die zweite Zeugin, Priscilla Durham, arbeitete 1981 für den Sicherheitsdienst des Krankenhauses, in das der durch eine Polizeikugel schwerverletzte Abu-Jamal eingeliefert worden war. Sie hatte erst zwei Monate nach den Ereignissen auf Drängen der Polizei ausgesagt, Abu-Jamal – halbtot mit einem Lungendurchschuß auf einer Krankenbahre liegend – habe lauthals über den Korridor gerufen, Faulkner erschossen zu haben. Dagegen hatte der Entlastungszeuge Kenneth Pate ausgesagt, Priscilla Durham habe ihm gegenüber eingestanden, ihre Aussage vor Gericht sei erfunden gewesen. Und die Zeugin Yvette Williams hatte gegenüber der Verteidigung versichert, Cynthia White habe ihr vertraulich erzählt, sie sei von der Polizei zu der Falschaussage gezwungen worden.
Pates und Williams’ Angaben waren Inhalt von Abu-Jamals Antrag und sollten die Wiederaufnahme des Verfahrens begründen. Die Einzelrichterin Pamela Dembe hatte das Ersuchen bereits 2005 abgelehnt. Die Berufung dagegen hat der Oberste Gerichtshof aktuell in seiner einstimmigen Entscheidung zurückgewiesen. »Indem das Oberste Gericht den Antrag nun aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt hat«, so Rechtsanwalt Bryan, »mußte es sich nicht mit Fakten auseinandersetzen. Diese machen deutlich, daß die Verurteilung meines Mandanten nur durch Lügen, Halbwahrheiten und einen fanatischen Verurteilungswillen möglich war.«
Die Entscheidung des Gerichtshofs hat indes keinen Einfluß auf die in den nächsten Wochen zu erwartende Entscheidung des in Philadelphia ansässigen US-Bundesberufungsgerichts für den 3. Bezirk. Ging es bei dem jetzt abgewiesenen Antrag um Tatsachenbeweise, so behandelt das Bundesgericht zahlreiche Verfassungsverstöße. Diese müßten zwingend zu einem neuen Prozeß führen. Robert R. Bryan: »Wenn das Bundesberufungsgericht zu unseren Gunsten entscheidet, ist die am Dienstag ergangene Entscheidung irrelevant. Andernfalls bleibt uns zur Verhinderung der Hinrichtung meines Mandanten nur noch der Oberste Gerichtshof der USA in Washington D.C.«