Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 28 - 2./3. Februar 2008
Weil sich in den USA eine Rezession ausbreitet, haben ökonomische Fragen im gegenwärtigen Vorwahlkampf das Thema Irak-Krieg an den Rand gedrängt. Wie selten zuvor haben sich Republikaner und Demokraten im beiderseitigen Einvernehmen für ein Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft ausgesprochen, dessen Kern ein Almosen von etwa 800 US-Dollar pro Steuerzahler sein soll. Dieses Geld werde von den Bürgern sofort wieder ausgegeben, so nimmt man an, und die am Boden liegende Wirtschaft des Landes werde auf diese Weise angeregt und einen spürbaren Auftrieb erfahren. Man fragt sich natürlich angesichts einer so bescheidenen Finanzspritze, ob die ökonomischen Probleme gar nicht so schlimm sind, oder ob sie in Wahrheit viel dramatischer sind, als es die Politiker öffentlich zugeben.
Das ökonomische Dilemma und das Drama des Irak-Krieges hängen eng zusammen. Tatsächlich ist der Krieg mit seinem hohen Blutzoll und den immensen Kosten die treibende Kraft in dieser Periode, die durch Instabilität, Rezession und den Verlust unzähliger Arbeitsplätze geprägt ist. Die Rüstungsindustrie und die mit ihr eng verzahnte Petroindustrie und jene Unternehmen, die Söldnerarmeen vom Typ Blackwater in die Kriegsgebiete entsenden, machen gigantische Gewinne. Diese Profite bleiben aber an der Spitze der Pyramide hängen und kommen an der Basis niemandem zugute. In früheren Kriegen wie dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden ganze Arbeiterheere in die Fabriken geholt, um Waffen und Ausrüstungen zu produzieren. Sie erhielten Lohn und hatten wenigstens im geringen Umfang teil am Wirtschaftsboom der Kriegsindustrien. Sogar in schwarzen Bevölkerungskreisen, die aus den rassistischen Südstaaten in die Industriegebiete des Nordens der USA geströmt waren, zirkulierte mehr Geld. Oder unter Frauen, die in den Fabriken die Arbeitsplätze der Männer übernahmen, die eingezogen und an die Front geschickt worden waren.
Heute ist es genau umgekehrt: Die Soldatinnen und Soldaten dieser sogenannten Freiwilligenarmee gehen aus ökonomischen Gründen in die Armee. Es sind die jungen Leute der Arbeiterklasse und der arbeitslosen und armen Bevölkerungskreise, die sich durch den Gang zum Militär einen Vorteil erhoffen im Kampf um teure Collegeplätze, die sich von ihnen sonst niemand mehr leisten könnte. Doch dieser Traum bleibt oftmals unerfüllt, und die Perspektiven der Tausenden, die kriegsversehrt aus den Kampfeinsätzen zurückkehren sind mehr als düster.
Der Irak-Krieg, der wahrscheinlich Billionen von Dollars gekostet haben wird, wenn er denn endlich zu Ende ist, sollte von Beginn an nur einer kleinen Minderheit nützen. Zu den großen Profiteuren gehört die weitverzweigte Ölindustrie, deren ökologische und gesamtgesellschaftliche Folgekosten durch den ungehemmten Verbrauch fossiler Brennstoffe heute von niemand beziffert werden können.
Während George W. Bush und die saudischen Prinzen vor der Weltöffentlichkeit ihren irren Säbeltanz aufführen – Bush schloß bei seiner kürzlichen Nahostreise in Riad ein Rüstungsgeschäft im Umfang von 20 Milliarden US-Dollar ab – steht die Wirtschaft der USA in Flammen. Die Zahl der Zwangsvollstreckungen gegen Eigenheimbesitzer schnellt in die Höhe, komplette Industrien werden nach China verlagert, die Gaspreise steigen unaufhörlich, ins Elend gestürzte Stadtteile werden verlorengegeben und zu Zonen des Überlebenskampfes und öffentliche Schulen werden zu Trainingszentren für ein Leben im Knast. Das Gefängnissystem ist wahrscheinlich der am schnellsten wachsende Wirtschaftszweig der USA.
Kriege sind ein schlechtes Ausweichterrain für eine marode Ökonomie, weil sie nichts produzieren außer Pein, Verlust und weitere Kriege. Der Irak-Krieg, von neokonservativen Schwachköpfen gemeinsam mit der texanischen Bush-Mafia provoziert, hat Vernichtung und Tod in unvorstellbaren Ausmaßen erzeugt. Keiner der Politiker, die heute etwas zu sagen haben oder um das Präsidentenamt buhlen, hat auch nur eine blasse Idee davon, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden könnte. Sie haben keine wirklichen Lösungen, sondern können das, was in Irak in Gang gesetzt wurde, bestenfalls in einen anderen Teil der Welt verlagern.
Übersetzung: Jürgen Heiser