Beitrag von Mumia Abu-Jamal
auf der XIII. Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2008
Zunächst möchte ich euch für eure freundliche Einladung danken, gemeinsam diese Konferenz zu gestalten. Besonders möchte ich meinem deutschen Verleger Jürgen Heiser danken, der diesen weiten Weg mit mir zurückgelegt hat, der mit mir durch Dick und Dünn gegangen ist und viele meiner Kolumnen hier in der jungen Welt veröffentlicht hat. Danken möchte ich auch einem herausragenden Unterstützer, dem Schauspieler Rolf Becker. Genauso möchte ich allen danken, die heute hier zusammengekommen sind, um nicht nur an Rosa Luxemburg zu erinnern, sondern genau auf unsere Welt zu schauen und für ein besseres Morgen dieser Welt zu kämpfen, denn, wie Marx richtig bemerkt hat, es geht nicht nur darum, die Welt besser zu verstehen, sondern sie zu verändern!
Weite Teile der Welt stecken in der Krise, und die Ursachen dafür können auf die aktuelle Krankheit namens »Globalisierung« zurückgeführt werden, ein Wiederaufleben des Fiebers, das wir einst Kolonialismus nannten.
Und wie es bei den meisten Krankheiten der Fall ist, kann auch diese nicht sicher in einem bestimmten Gebiet der Erde eingedämmt werden, sondern sie breitet sich aus wie Luft, über Grenzen hinweg und setzt sich im Bewußtsein fest.
Die Globalisierung zieht nicht nur die Ressourcen aus dem belagerten globalen Süden ab; sie frißt sich auch in die Lebensadern und die Zukunftshoffnungen von Millionen in den Metropolen hinein, denn die Kräfte, die in anderen Ländern wüten, können nicht daran gehindert werden, attraktive Ziele im Innern des Imperiums anzugreifen.
Die Rote Rosa würde gegen das Nordamerikanisches Freihandelsabkommen NAFTA und seine diversen Abkömmlinge wie das Zentralamerikanische Freihandelsabkommen CAFTA wettern (und noch wichtiger: den Widerstand dagegen organisieren).
Hier in den Vereinigten Staaten haben sich die führenden Köpfe der demokratischen Partei für diese Abkommen eingesetzt, die den Einfluß auf die ökonomischen Angelegenheiten mindern, während sie gleichzeitig die Stimmen und das Geld ihrer Wähler nahmen.
Es ist die Aufgabe der Linken hier, eine authentische Arbeiterpresse aufzubauen (und sie in einigen Fällen wiederaufzubauen), die die Bedürfnisse und Sorgen der Klasse anspricht. In Europa gibt es eine lange Tradition der Arbeiterparteien (wenngleich manche, wie in England, diese Tradition verraten haben). In den Vereinigten Staaten gibt es eine solche Tradition nicht.
In Wahrheit gibt es in den USA kein signifikantes Arbeiterbewußtsein, weil es unter den Zwillingsgewichten der bürgerlichen Medien einerseits und des Bildungssystems andererseits erdrückt worden ist.
Das wird noch verstärkt durch die Besonder-heiten der US-amerikanischen Geschichte, in der versucht wurde, ein heimtückisches Kasten-system, in dem Schwarze immer auf der unter-sten Stufe der sozialen Hackordnung gehalten wurden, zu institutionalisieren, es zu kontrol-lieren und die Gesellschaft demgemäß zu diszi-plinieren.
Dies wurde schon von dem großartigen W.E.B. DuBois erwähnt, der erklärte, daß weiße Arbeiter »zum Teil durch einen öffentlichen und psychologischen Lohn entschädigt wurden«.* Diese »Belohnung für das Weißsein«, wie es der Historiker David R. Roediger nannte, förderte ein »Rassen«-Bewußtsein, das das Klassen-bewußtsein überlagerte und das sich bis in unsere heutige Zeit auswirkt.
Das erklärt, warum Weiße aus der Arbeiterklasse bei Wahlen ihre Stimme den zutiefst anti-gewerkschaftlichen und pro-kapitalistischen Kandidaten der Republikanischen Partei wie Ronald Reagan, George Herbert Bush und George W. Bush und einer Unmenge anderer Politiker gegeben haben, die gegen ihre Klasse Krieg führen, aber dennoch ihre Stimmen und häufig ihre Loyalität auf sich ziehen konnten.
Selbst der letzte demokratische Präsident, William J. Clinton, der sich angeblich für die Arbeiterinteressen einsetzte, nutzte die Macht seines Amtes, um das NAFTA-Abkommen durchzusetzen, mit dem mehr industrielle Arbeitsplätze und in der Konsequenz auch durch gewerkschaftliche Tarifverträge abgesicherte hochbezahlte Jobs vernichtet wurden, als in der Amtszeit jedes anderen US-Präsidenten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Es sagt etwas über die heutige Schwäche der Arbeiterklasse aus, daß Clintons Frau eine führende Kandidatin für die US-Präsidentschaft der Jahre 2009-12 ist.
Eine Arbeiterpresse kann weitreichende Wirkung dabei erzielen, die Klasse wachzurütteln und ihr eine Stimme zu verleihen; eine Klasse, die kaum Gehör findet in dieser Zeit eines behaupteten kapitalistischen Triumphalismus und der angeblichen Zwangsläufigkeit der Globalisierung.
Viele SozialistInnen und KommunistInnen werden sich noch an die Lehren über die Zwangsläufigkeit der Bewegung hin zum Kommunismus erinnern. Wenn sie aber eins gelernt haben, dann das, daß sich nichts zwangsläufig entwickelt: Veränderungen werden nur durch die Arbeit und das Streben der Menschen erreicht.
So wie die zwangsläufige Entwicklung hin zum Kommunismus ein Irrtum war, so ist auch die Zwangsläufigkeit einer Entwicklung der kapitalistischen Globalisierung falsch. Rosa würde uns sicher heute diese historische Erkenntnis lehren, so wie sie uns dazu aufgefordert hat, un-sere verschiedenen Bewegungen zu vereinen, die Klassenmacht zu errichten, soziale Macht zu erlangen und die Kräfte zu bündeln, die not-wendig sind für eine gesellschaftliche Ver-änderung.
Wir können alle auf das angeblich Zwangsläufige warten –, oder wir können an der revolutionären Veränderung arbeiten.
Wie viele unter euch, werde auch ich mich für letzteres entscheiden.
Ona Move!
Lang lebe John Africa!
Lang lebe die »Rote Rosa«!
Aus der Todeszelle, hier spricht Mumia Abu-Jamal
4. Januar 2008
* (W.E.B. Dubois: Black Reconstruction in the United States, 1860-1880, 1935)