Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 246 - 20./21.10.2007
In den USA und anderen Teilen der Welt gibt es Kräfte, die derzeit sehr viel Energie darauf verwenden, einen Krieg gegen die Islamische Republik Iran führbar zu machen. Es sind größtenteils dieselben, die auch den Überfall auf Irak vorbereitet und mit Hilfe der Medien und deren permanenten Schreckensnachrichten die Bevölkerung darauf eingestimmt haben. An die Stelle von Iraks Präsidenten Saddam Hussein als Verkörperung des Bösen ist nun Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad getreten, an die Stelle der Propaganda von den angeblichen irakischen »Massenvernichtungswaffen« nun die Projektion einer angeblichen »Atomwaffenproduktion« in Iran.
»Er ist ein skrupelloser Diktator!« dröhnt es wieder auf allen Kanälen, und wie vor dem Irak-Krieg soll auch jetzt wieder die Dämonisierung des Staatspräsidenten die Vorwände dafür liefern, ein Land und seine Zivilbevölkerung angreifen, bombardieren, verwüsten und militärisch besetzen zu können. Das kommt einem bekannt vor und läßt ahnen, was hinter den Kulissen vorbereitet wird.
Noam Chomsky wurde kürzlich von David Barsamian, Moderator des Talk-Radio-Senders RadioIslam.com in Chicago, interviewt. Chomsky sprach deutliche Worte über den Einfluß, den die Medien auf unser Denken haben: »Nehmen wir ein klassisches Beispiel wie Deutschland. Zur Zeit der Weimarer Republik gehörte Deutschland zu den zivilisierten Ländern der Welt, war führend auf den Gebieten der Wissenschaft und der Kunst. In nur zwei bis drei Jahren verwandelte sich das Land durch eine allgegenwärtige Propaganda in einen Hort rasender Irrer. Die Art der Propaganda war erkennbar von angloamerikanischen Werbefeldzügen abgekupfert. Und sie wirkte. Sie schürte die Angst unter den Deutschen, bis sie nach einer Weile selbst daran glaubten, daß sie sich gegen Juden und gegen Bolschewiken zur Wehr setzen müßten. Es ist bekannt, was daraus folgte.«
Interessanterweise war in den USA nicht von einem »skrupellosen Diktator« die Rede, als vor vierzig Jahren die damalige US-Regierung Schah Reza Pahlewi unterstützte, der auf Geheiß seiner US-Berater die Geheimpolizei Savak gegen die eigene Opposition einsetzte und das Land in Blut tränkte. Dieser Diktator war für die USA ein guter Diktator.
Hat die Nation nichts gelernt aus dem Irak-Debakel? Vor kurzem hat der US-Senat mehrheitlich für eine nichtbindende Resolution gestimmt, deren Ziel die Teilung Iraks ist. Auf teuflische Weise ist diese Entschließung konsequent: Die USA haben das Land bombardiert, seine gewählte Regierung gestürzt und an ihrer Stelle ein Marionettenregime von George W. Bushs Gnaden errichtet. Und nachdem all das nichts genützt hat und das Land am Boden liegt, warum soll man es da nicht völlig zerschlagen und in drei Teile zerreißen! Diese Argumentation kommt diesmal nicht von rabiaten Neocons, sondern von sogenannten liberalen Demokraten. Wie das geht? Der Imperialismus in den USA stützt sich auf ein Zweiparteien-System.
Es kann also sein, daß Iran das nächste Ziel dieser Politik ist, obwohl es erst durch die US-Besatzung und Verwüstung Iraks einen größeren Einfluß in der Region gewonnen hat. Das Irak-Debakel hat die Islamische Republik Iran stärker gemacht. Die Mittelostpolitik der USA ist von Furcht und Unwissenheit getrieben. Sie ist reaktiv, von Gefühlen bestimmt, und es geht um Glauben und nicht um Wissen – allesamt gefährliche Elemente, wenn man damit einen Krieg rechtfertigen will. Merke: diese »Supermacht« ist nur super in ihrer Machtausübung, aber sie ist von kleinem Geist.
Übersetzung: Jürgen Heiser