Kolumne 13.10.07: Ein Kettenhund Washingtons

13.10.07 (von maj) Pakistans Militärdiktator Musharraf führt einen Auftragskrieg gegen die eigene Bevölkerung

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 238 - 13./14.10.2007

Am 17. Oktober wird der Oberste Gerichtshof von Pakistan darüber entscheiden, ob nach den Wahlen vom 6. Oktober der alte auch der neue Präsident sein wird. Die Kandidatur und der verkündete Wahlsieg von General Pervez Musharraf und seiner Partei, der Pakistanischen Muslimliga Quaid-e-Azam (PML-Q), wird in mehreren Petitionen, über die das Gericht zu entscheiden hat, als verfassungswidrig angegriffen.
Die US-Regierung unter George W. Bush und ihre Sprachrohre in den Medien spielen seit Jahren ihre Propagandaleier, daß die Kriege in Afghanistan und Irak geführt werden, um »die Demokratie zu errichten«. Aber wie soll das funktionieren, wenn die Verbündeten der USA und der NATO vor Ort selbst Krieg führen gegen die eigene Bevölkerung und deren Willen, demokratische Verhältnisse herzustellen? Diktatoren können keine Demokratie aufbauen.
Als das britische Empire unterging, entstand der Staat Pakistan 1947 aus den mehrheitlich muslimischen Teilen Britisch-Indiens, während die Gebiete mit hinduistischer oder sonstiger Bevölkerungsmehrheit sowie der größte Teil des überwiegend muslimischen Kaschmir im heutigen Indien aufgingen. Etwa 150 Millionen Menschen leben in Pakistan in einem Gebiet, das halb so groß ist wie Alaska. Die Staatsform ist alles andere als eine Demokratie. Nach einem Putsch im Jahr 1999 etablierte sich unter der Führung von General Pervez Musharraf eine Militärdiktatur. Vorausgegangen war dem der Versuch des gewählten pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif, beim Streit um die benachbarte indische Provinz Kaschmir das Militär durch die Entlassung General Musharrafs zu disziplinieren. Die militärische Führung reagierte prompt und putschte. Seitdem halten Diktator Musharraf und seine Offizierskaste nicht nur die Gesellschaft im eisernen Griff, sondern von Baukonzernen bis hin zu Trinkwasserfirmen kontrollieren sie auch weite Teile der pakistanischen Wirtschaft. Militärs besetzen die Führungsgremien der Medien und der Universitäten. Und sie versuchen, die Justiz im Zaum zu halten. Als Musharraf unlängst einen unbequemen Richter des Obersten Gerichtshofs aus seinem Amt jagen wollte, zeigte sich in den spontanen Massendemonstrationen gegen diesen Schritt, daß die Unzufriedenheit mit der Herrschaft des Militärs wächst.
Kürzlich wollte der 1999 abgesetzte Premier Nawaz Sharif von London aus in sein Heimatland zurückzukehren. Er beschrieb vor dem Abflug sein Vorhaben als »letzte Schlacht zwischen Diktatur und Demokratie«. Seine Rückkehr solle zeigen, daß es »an der Zeit ist, die permanente Bedrohung durch die Diktatur zu beenden«. Doch Sharif hatte den Mund zu voll genommen, Polizei und Militär riegelten den Flughafen der Hauptstadt weiträumig ab und nahmen ihn bei seiner Ankunft fest. Auf den Straßen Riwalpindis wurden Kundgebungen und Demonstrationen seiner Anhänger von der Polizei auseinandergeprügelt. Nach Berichten der New York Times wurde »fast die gesamte Führung« von Sharifs Oppositionspartei, der Muslimliga (PML-N), eine Absplitterung der PML-Q, verhaftet. Nach nur vier Stunden Gewahrsam wurde Sharif von den Militärs in ein Flugzeug nach Saudi-Arabien gesetzt und erneut ins Exil geschickt. Mittlerweile hat der Oberste Gerichtshof entschieden, daß Sharif das Recht hat, nach Pakistan zurückzukehren und für das Präsidentenamt zu kandidieren. Doch Sharif weiß, daß Musharraf »nicht an die Herrschaft von Recht und Gesetz glaubt«. Der Exilierte stellte öffentlich die rhetorische Frage, wie der US-Präsident den Diktator Musharraf unterstützen kann: »Präsident Bush unterstützt ein Individuum, das zum Symbol des Hasses im heutigen Pakistan geworden ist. Jedermann in Pakistan möchte ihn lieber heute als morgen loswerden.«
Wie kann jemand der Demokratie zum Durchbruch verhelfen wollen, indem er sich dabei brutaler Militärjuntas bedient? Jahrzehntelang hörten wir die gleichen Parolen aus dem Weißen Haus, als fast alle Länder Lateinamerikas von Militärdiktaturen und ihren Todesschwadronen heimgesucht wurden. In Trainingseinrichtungen der US-Armee wie der »School of the Americas« (SOA) in Fort Benning im US-Bundesstaat Georgia wurden diese Militärs und ihre Killer ausgebildet. Kritiker und Menschenrechtsaktivisten nannten diese Trainingscamps »Escuelas de golpes« (Putsch-Schulen) oder »School of Assassins« (Schule der Meuchelmörder), weil ihre Absolventen brutale Kriege gegen die um ihre Rechte und sozialen Belange kämpfenden Bevölkerungen ihrer Länder führten. All diese Ungeheuerlichkeiten geschahen »zum Schutz der Demokratie« – und diese »Schulen« gibt es in den USA bis heute.
Auch das pakistanische Militär hat seine US-amerikanischen Instrukteure und Berater. Und für den Fall, daß es seine Aufgaben nicht mehr erfüllt, hält die US-Führung immer noch das letzte Mittel in der Hand. Denn diesem »Verbündeten« wurde bereits kurz nach dem 11. September 2001 deutlich gemacht, was ihn erwartet, wenn er nicht mitspielt und funktioniert. Nach veröffentlichten Berichten haben damals hohe US-Offizielle intern damit gedroht, Pakistan »atomar zu pulverisieren«, wenn es sich nicht auf seiten der USA am »Krieg gegen den Terror« beteilige.

* Übersetzung: Jürgen Heiser
[Diese Kolumne erschien in junge Welt in einer um den vorletzten Abschnitt leicht gekürzten Fassung]


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