Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 215 - 15./16.09.2007
An dieser Stelle wurde der Fall von Kenneth Foster am 23. Juni ausführlich dargestellt. Foster, der im Gefängnis den Namen Haramia KiNasser angenommen hat, sollte am 30. August hingerichtet werden. Nur fünf Stunden vor der Exekution mit der Giftspritze begnadigte ihn der texanische Gouverneur Rick Perry nach einer Mehrheitsentscheidung des Begnadigungsausschusses und wandelte das Todesurteil in lebenslange Haft um. Mehr als zehn Jahre nach seiner Verurteilung konnte Haramia damit endlich den Todestrakt verlassen.
Daß er überhaupt je dort eingesperrt werden konnte, hat er nur einem besonderen Kniff der texanischen Strafgesetze zu verdanken. Gericht, Anklage und Verteidiger stimmten darin überein, daß Foster selbst niemandem Schaden zugefügt, niemanden getötet oder auch nur ausgeraubt hatte. Die Staatsanwaltschaft wollte ihn aber dennoch verurteilt sehen. Foster war der Fahrer eines Wagens, in dem er mit ein paar Kumpels eines Nachts in San Antonio, Texas, ziellos durch die Gegend fuhr. Einer seiner Freunde hatte jemanden mitgebracht, den der damals 19jährige Kenneth bis dato nicht kannte. Dieser Unbekannte bat Kenneth unterwegs, kurz anzuhalten, dann stieg er aus, ging etwa 25 Meter, überfiel einen Mann, raubte ihn aus und erschoß ihn im Handgemenge. Die drei zurückgebliebenen Insassen des Wagens waren selbst nur erschrochene Zeugen dieser Vorgänge.
In Texas reichte es aber aus, daß Haramia sich in der Nähe des Verbrechens aufgehalten und mittelbar etwas mit dem Täter Mauriceo Brown zu tun hatte. Er wurde als Fahrer des Wagens mit Brown zusammen unter Anklage gestellt und zum Tode verurteilt. Verantwortlich dafür ist allein das »Law of Parties«, eine spezielle texanische Variante des US-Gesetzes, das die »Verschwörung«, also die gemeinschaftliche Verabredung zu einem Verbrechen, unter Strafe stellt. In seinem Kern bedeutet dieses texanische »Mittätergesetz«, daß nicht nur eine Tat oder eine Beteiligung daran, sondern bereits die bloße Anwesenheit am Ort des Geschehens als voller Tatbeitrag geahndet werden kann.
Haramia KiNasser verbrachte deshalb über zehn Jahre im Todestrakt, der ihm alle Absonderlichkeiten und die Mißachtung seiner minimalsten Rechte bescherte. So beschlagnahmte zum Beispiel noch einen Monat vor seinem geplanten Hinrichtungstermin das zuständige Justizvollzugsamt ein Sportbuch, das Haramia zugesandt worden war. Bei dem Buch handelte es sich um eine Abhandlung des jungen Autors Dave Zirin, der sich mit den Zusammenhängen zwischen Sport, Politik und politischem Widerstand auseinandersetzt. Die für die »Überwachung von Publikationen« zuständige Abteilung des Justizvollzugsamtes belegte das Buch mit Bann, weil »es Material enthält, das jede normal denkende Person nur so deuten kann, daß es einzig aus dem Grund geschrieben wurde, Informationen zu kommunizieren, die zu einem Zusammenbruch des Gefängnissystems führen sollen, indem Straffällige darin bestärkt werden, zu streiken oder gewaltsam zu rebellieren«, so der Beschluß. Die darin zitierten Stellen behandelten die Sportlerkarrieren der Baseballikone Jackie Robinson und des Boxchampions im Schwergewicht Jack Johnson. Beide hatten sich als Sportler gegen weißen Rassismus zur Wehr setzen müssen, der eine vor gut 50, der andere vor etwa 80 Jahren.
Für Haramia KiNasser alias Kenneth Foster ist das Sonderhaftstatut des Todestraktes, das solche Beschlüsse hervorbringt, seit Ende August Vergangenheit. Leider bedeutet die Begnadigung aber für ihn, daß er nun bis an sein Lebensende im US-amerikanischen Gefängnis-Gulag bleiben soll. Die vielen Jahre im Todestrakt haben ihn jedoch politisiert und ihm eine historische Perspektive eröffnet, die er nicht einmal ahnte, als er in diese »stählerne Hölle« geworfen wurde. Er ist also gewappnet für das, was auf ihn zukommt. Nun kann der Kampf für Haramias Freiheit aufgenommen werden.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Info: todesstrafe-usa.de/foster