Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 144 - 23./24.06.2007
Die letzten zehn Jahre hat der 30jährige Kenneth »Haramia« Foster in der »stählernen Hölle« der Todestrakte von Texas verbracht. Der Termin seiner Hinrichtung wurde Anfang Mai auf den 30. August 2007 festgesetzt. Und das, obwohl selbst Staatsanwalt und Geschworene im Prozeß einräumen mußten, daß Kenneth Foster niemals einen Menschen getötet hat. Warum er trotzdem zum Tode verurteilt werden konnte? Auf Grund einer Besonderheit der texanischen Gesetze, konkret dem »Law of Parties«, einer Variante des US-Gesetzes, das »Verschwörung«, die Verabredung zu einem Verbrechen, unter Strafe stellt. In seinem Kern bedeutet das »Law of Parties«, das man auch »Komplizen-Gesetz« nennen könnte, daß nicht nur eine Tat, sondern bereits die bloße Anwesenheit am Ort des Geschehens als voller Tatbeitrag geahndet werden kann.
Foster wird vorgeworfen, als Neunzehnjähriger am Nachmittag des 14. August 1996 zusammen mit den etwa gleichaltrigen Dwayne Dillard und Julius Steen zunächst Marihuana geraucht und danach im alten Chevrolet von Fosters Großvater in San Antonio, Texas, ziellos herumgefahren zu sein. Unterwegs stieß Mauriceo Brown zu ihnen, der irgendwann am Abend kurz das Auto verließ und Minuten später einen Mann erschossen haben soll. Foster und die beiden anderen jungen Männer waren im Auto zurückgeblieben, etwa 25 Meter vom Tatort entfernt. Die Staatsanwaltschaft behauptete, Brown habe einen gemeinsam geplanten Überfall ausführen wollen. Als Fahrer des Wagens wurde Foster gemeinsam mit dem Todesschützen Brown angeklagt und zum Tode verurteilt.
Ein Problem für die beiden schwarzen Angeklagten war sicher von vornherein, daß das Opfer Michael LaHood Sohn eines angesehenen und einflußreichen Anwalts in San Antonio war. Der Bezirksstaatsanwalt stand unter hohem Druck, eine Verurteilung zu erreichen. Die Medien berichteten, der Gerichtssaal habe LaHood »gehört«. Es nützte wenig, daß Brown im Prozeß zugab, er habe LaHood in Selbstverteidigung erschossen und betonte, es sei kein geplanter Raubüberfall gewesen und er habe vollkommen allein gehandelt. Kenneth Foster wurde wie Brown zum Tode verurteilt.
Inzwischen hat Foster seinen Sklavennamen abgelegt, nennt sich Haramia KiNasser und ist seit einiger Zeit als talentierter Schriftsteller und Dichter bekannt. Am 8. Mai 2007 schrieb er über seine Situation: »Gestern abend wurde ich in eine andere Abteilung des Trakts verlegt, die für jene vorgesehen ist, die bereits einen Hinrichtungstermin haben. Die Abteilung trägt das Etikett ›Death Watch‹, und ihr hängt etwas an wie ein Tabu. Der Name wird wie ein Teufelsfluch ausgesprochen, der im Mund einen bitteren Geschmack hinterläßt. Für mich sind aber alle 504 Zellen in diesem Trakt »Death Watch« – der Vorhof zur Todeskammer. (...) Als ich nach hier verlegt wurde, erhielt ich Briefe von einigen meiner Brüder. Da gab es keine Abschiedsgrüße, keine Worte des Bedauerns (wir haben diese Reflexe schon vor langer Zeit abgelegt), es ging nur um zwei Sachen: ›Kämpfe!‹ und ›Verliere niemals deinen Glauben!‹ Ich möchte mit einer Metapher erklären, wie ich das verstehe: Wir können einen Haufen Kuhscheiße nicht in einen Haufen Schokolade verwandeln. Aber wenn wir diese Kuhfladen trocknen und verbrennen, können wir damit eine Maschine antreiben, die zu etwas nütze ist. Mein Punkt ist, daß wir erkennen müssen, was wir wirklich verändern können, und dann müssen wir unverzüglich handeln. Das heißt, ich habe keinerlei Vertrauen in das System, aber ich glaube an uns und unsere Kraft! Deswegen habe ich den Hinrichtungsbefehl, der mir gestern zugestellt wurde, umgehend zurückgeschickt. Dieses Papier hat in diesem Käfig nichts zu suchen. Ich dulde in meiner Umgebung nur Liebe, Leben und den Kampf um Befreiung. Ich schreibe das mit einem Lächeln. Ich bin bereit für mein Leben zu kämpfen und zu siegen!«
Ein junger Schwarzer – ein Unschuldiger – im Todestrakt von Texas. Setzen wir uns dafür ein, daß seine zehnjährige Tochter Nytesha im August nicht das Trauma erleiden muß, ihren Vater durch einen staatlichen Mord zu verlieren!
Übersetzung: Jürgen Heiser
Info: todesstrafe-usa.de/foster