»Jetzt kommt es auf die Solidaritätsbewegung an«

14.01.06 (von ivk) Dringender Appell, sich jetzt für ein Moratorium der Todesstrafe in den USA und die Freilassung des Journalisten Mumia Abu-Jamal einzusetzen; zum ersten Mal veröffentlicht auf der 11. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 14. Januar 2006 in Berlin

In den Streit um ein Wiederaufnahmeverfahren für Mumia Abu-Jamal ist Bewegung gekommen. Wie Robert R. Bryan aus San Francisco, Rechtsanwalt des 1982 zum Tode Verurteilten, der seit 25 Jahren unschuldig in der Todeszelle sitzt, am 6. Dezember 2005 erklärte, »hat die Berufungsinstanz des 3. Bundesbezirksgerichts heute einen für meinen Mandanten höchst wichtigen Beschluß gefaßt«. Danach sind von 29 Beschwerdegründen, mit denen die Verteidigung in der Berufung das Wiederaufnahmeverfahren durchsetzen will, drei zugelassen worden. Bryan: »Der Fall kommt damit in Fahrt. Wir haben jetzt einen bedeutenden Teilsieg in unserem Kampf für einen neuen Prozeß und zur Erlangung von Mumias Freiheit errungen. Aber mehr denn je kommt es jetzt auf die Unterstützung und das Handeln der Solidaritätsbewegung an: Wenn wir verlieren, wird Mumia hingerichtet! Die Zeit läuft uns davon...«

Die Todesstrafe steht zur Disposition
Die Auseinandersetzung um die Todesstrafe in den USA findet in einem Klima der völligen Gegensätze statt. Zum einen schlagen sich Berichte in den Medien stärker nieder und scheinen den Status quo zu bestätigen. So geschehen nach der Hinrichtung von Stanley Tookie Williams in Kalifornien am 13. Dezember 2005. Zum anderen wird die Todesstrafe jetzt aber auch in den USA infrage gestellt wie seit 30 Jahren nicht mehr.
Die Hauptkritik hat Sue Gunawardena-Vaughn, Sprecherin von Amnesty International USA, am 1. Dezember auf der Kundgebung vor dem Todestrakt in Raleigh benannt, als sie und viele andere gegen die 1.000. Hinrichtung seit 1976 protestierten, bei der Kenneth Lee Boyd durch die Giftspritze starb: »Wir sagen, daß es vor Gericht erfolgversprechender ist, reich und schuldig zu sein als arm und unschuldig. Ob man in diesem System zum Tode verurteilt wird oder nicht, hängt vom Zugang zu einer guten Verteidigung ab.«
Armut, Rassismus und unzureichende Verteidigung sind die Hauptmerkmale der Todesstrafenpraxis und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, trotz Unschuld verurteilt zu werden, wie Richard Dieter vom US-»Informationszentrum Todesstrafe« betont: »In der Zeit der tausend Hinrichtungen sind 122 Todeskandidaten von Gerichten entlastet und freigelassen worden.« Was den Schluß zuläßt, daß jeder achte der Tausend unschuldig gewesen sein könnte. Mit den Verschärfungen der Antiterror- und Todesstrafengesetze unter Clinton und Bush jr. sind die Berufungsmöglichkeiten für zum Tode Verurteilte eingeschränkt worden. Gegenteilige Entscheidungen kommen nur durch internationalen Druck zustande. So die beiden jüngsten Grundsatzentscheidungen des Obersten Bundesgerichts der USA, mit denen die Hinrichtung von Minderjährigen und geistig Behinderten verboten wurden.

Ein Moratorium ist möglich
Der Kreis der US-Bundesstaaten, die sich wie Illinois für ein Moratorium entscheiden, nimmt zu. Die kaltblütige Hinrichtung von Tookie Williams hat die Bewegung gegen die Todesstrafe stärker gemacht. Die Zeichen mehren sich, daß ein generelles Moratorium der Todesstrafe möglich sein könnte. 3.400 Gefangene in den US-Todeszellen wären unmittelbar davon betroffen.
In den Medien der BRD macht die US-Todesstrafenpraxis Schlagzeilen, ohne daß es hier in den letzten Jahren nennenswerte öffentliche Proteste gegeben hätte. Daraus kann im Umkehrschluß die Erkenntnis gewonnen werden: würde die Forderung nach einem generellen Moratorium der Todesstrafe und nach einem neuen Prozeß für Mumia Abu-Jamal heute von einer breiten Basisbewegung aus Friedens-, Gewerkschafts- und Menschenrechtsgruppen, unterstützt von der Bundestagsfraktion der Linkspartei.PDS, gezielt zum Thema gemacht, wäre die Offenheit von Medien und Gesellschaft so groß wie nie zuvor. Die US-Regierung hat das Problem, daß sie in Europa nicht nur wegen Guantánamo, CIA-Entführungen, Folter und weiteren Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen zunehmend unter Druck gerät, sondern auch wegen der Todesstrafe. Die EU verlangt seit Jahren für ein engeres Zusammengehen, daß die USA die Todesstrafe abschaffen müssen, wie es in immer mehr UNO-Staaten geschieht.

Mumia Abu-Jamal muß jetzt befreit werden wie Angela Davis 1972
Die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis, Sprecherin der US-Kampagne gegen die Todesstrafe, hat anläßlich ihrer Rede auf der 10. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 8. Januar 2005 in Berlin erklärt:
»Ich möchte betonen, daß wir alle aufstehen sollten für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal - nicht nur, weil er ein Opfer der Todesstrafe werden könnte, sondern auch, weil er einer der einflußreichsten intellektuellen Führer der Bewegung gegen die Todesstrafe in den USA und weltweit ist.«
Es besteht jetzt die Chance, Mumia Abu-Jamals Todesurteil niederzuringen - wenn erneut eine breite Solidaritätsbewegung ihren Kopf erhebt und nicht locker läßt, bis das Ziel erreicht ist. Dazu bedarf es vieler Menschen, die jeder für sich den ersten Schritt tun und zu handeln beginnen.

»Wer denkt, der Kampf um Mumia diene nur dem Ziel, das Leben dieses einen Menschen zu retten,
hat unsere Absichten mißverstanden. Denn es geht nicht nur um Mumia, es geht insgesamt um den mörderischen Wahnsinn der Politik der Herrschenden, die uns alle betrifft. Wer die Notwendigkeit nicht versteht, uns dem zu widersetzen, daß sie Mumia eiskalt umbringen wollen, der überläßt letztendlich auch sich selbst und seine Liebsten schutzlos diesen Mördern.«
Komitee ›Freunde und Familie von Mumia Abu-Jamal‹, Philadelphia

Was tun? - Einige Vorschläge...

Spenden werden äußerst dringend gebraucht !
Angela Davis: »Im Namen der Gerechtigkeit bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. Die Reisekosten der Verteidigung sind enorm. Intensive Nachforschungen sind ebenso nötig wie weitere juristische Schritte. Deshalb bitten wir Sie um eine großzügige Spende im Rahmen Ihrer Möglichkeiten.«
Spenden unter dem Stichwort »Verteidigung« gehen in voller Höhe an das Anwaltsteam:
Archiv 92/Sonderkonto Jamal, S.E.B. Bank Bremen, Konto-Nr. 100 8738 701, BLZ 290 101 11 (Überw. aus EU-Ländern: IBAN DE78 2901 0111 1008 7387 01 - BIC: ESSEDDE5F290)

Patenschaften
Neben Einzelspenden wären kontinuierliche Beträge hilfreich. 100 Patenschaften mit nur 10 Euro pro Monat würden ungeheuer helfen und der Verteidigung einen finanziellen Grundstock bieten.

Ehrenmitgliedschaften
Mumia Abu-Jamal ist Ehrenmitglied der VVN/BdA, von Gewerkschaften und Mieterkomitees. In jedem Arbeits-, Bildungs- und Kulturbereich sind solche Ehrenmitgliedschaften möglich, die immer größeres Interesse in den Fall nach sich ziehen. Bitte das IVK informieren.

Veranstaltungen, Lesungen
Das IVK vermittelt ReferentInnen, die über den Fall berichten, aus Mumias Büchern lesen und seine Kolumnen vorstellen, die seit über fünf Jahren jeden Samstag in der Tageszeitung junge Welt (www.jungewelt.de) veröffentlicht werden. Gute Erfahrungen haben wir mit Veranstaltungen an Schulen gemacht.

Mumia Abu-Jamals Bücher lesen
Seine Bücher haben Licht in das Dunkel der Todestrakte gebracht und die Antikriegsbewegung unterstützt. Im Internet unter www.atlantik-verlag.de ansehen oder im Buchladen um die Ecke unter seinem Autorennamen Titel heraussuchen lassen und bestellen.

ON A MOVE - Ausstellung gegen die Barbarei der Todesstrafe
Die Bremer Malerin Christine Vogelsang kommt mit ihrer aktuellen Ausstellung, die eine Kombination aus Malerei und Fotos/Dokumentation über Mumia und die Todesstrafe ist, in eure Stadt. Die Eröffnungsveranstaltung kann der Anfang sein für das Entstehen eines Komitees...

Komitees gründen
In den Hochzeiten der nunmehr 16jährigen Kampagne gab es im Bundesgebiet weit über 40 Komitees, die sich regelmäßig zur Koordination trafen und drei Großdemonstrationen und unzählige lokale Aktionen organisierten. Das war bis vor Jahren so. Heute heißt es: einen neuen Anlauf nehmen! Das IVK hilft, Kontakte herzustellen.

Sich kontinuierlich informieren
Neben der Tageszeitung junge Welt (am besten: abonnieren!) hilft derzeit nur das Internet:
Deutsch: www.freedom-now.de (die Website des IVK) und www.mumia.de
Englisch: www.mumia.org, www.freemumia.com, www.iacenter.org
Mumias Kolumnen mit seiner Stimme hören und als MP3 downloaden: www.prisonradio.org

Mumia Abu-Jamal schreiben
Adresse: Mumia Abu-Jamal, AM 8335, SCI Greene, 175 Progress Drive, WAYNESBURG, PA 15370, USA. Er liest auch kurze deutsche Texte, z. B. Geburtstagskarten zum 24. April (geb. 1954).

Das IVK Bremen steht für alle Fragen und Anregungen zur Verfügung und stellt die neuesten Nachrichten immer auf die Website www.freedom-now.de.

Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150 530, D-28095 Bremen, www.freedom-now.de, email: info@freedom-now.de
Fon/Fax 0421-354029, Mobil/cell: 0174-972 99 29


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Stand: 19.04.2024 um 14:25:58 Uhr