Leonard I. Weinglass
Der Prozeß gegen die Miami-5
Nachwort
Seit mehr als vier Jahrzehnten haben extrem rechtsgerichtete Exil-Kubaner von Miami im US-Bundesstaat Florida aus Anschläge gegen Kuba ausgeführt. Diese Angriffe haben viele Menschenleben gekostet, Tausende verletzt und verstümmelt und Sachschäden in Höhe von vielen Millionen US-Dollar angerichtet. Doch anstatt des Terrorismus angeklagt und verurteilt zu werden, erfreuen sich die Täter bis heute der aktiven Unterstützung oder der blinden Willfährigkeit der US-Regierung.
In den frühen 1990er Jahren, als Kuba sich langsam von den Auswirkungen des Zusammenbruchs der Sowjetunion zu erholen versuchte, indem es sich für den Tourismus öffnete, konzentrierten die exilkubanischen Kräfte ihre Anschläge auf Flughäfen, Hotelbusse und am Meer gelegene Hotelanlagen. Anschläge gegen diese Ziele gingen wiederholt von Flughäfen und Häfen im südlichen Florida aus. Während eines der Angriffe wurden Granaten von einem vor der kubanischen Küste gelegenen Boot aus gegen ein Hotel abgefeuert. Bei einem anderen Anschlag wurde eine Bombe in dem bekannten Copacabana Hotel zur Explosion gebracht, wobei ein italienischer Tourist ums Leben kam.
Wiederholte diplomatische Proteste der kubanischen Regierung trafen in den USA und bei den Vereinten Nationen auf taube Ohren, während gleichzeitig die Feinde Kubas begierig den Zusammenbruch der kubanischen Revolution herbeisehnten.
Das war die Zeit, als die fünf Kubaner, die später als die »Cuban Five« oder die »Miami-5« bekannt wurden, ihre Arbeit aufnahmen, mit der sie ihr Land schützen wollten. Sie reisten in die USA ein, allerdings nicht mit Waffen oder Bomben, sondern mit Mut und Intelligenz ausgestattet, um die Extremistengruppen zu infiltrieren, die vom südlichen Florida aus operierten, und die kubanischen Behörden vor den hinterhältigen Plänen und bevorstehenden Aktivitäten zu warnen. Sie waren in dieser Arbeit sehr erfolgreich. Das Material, das sie zusammentrugen, wurde Teil eines ausführlichen Berichts, den die kubanische Regierung Beamten des Federal Bureau of Investigation (FBI) überreichte, die nach Havanna eingeladen worden waren. Ihnen wurden vier Bände von Informationen übergeben, in denen Namen genannt und Orte beschrieben wurden (u.a. militärische Trainingscamps im südlichen Florida). Die kubanischen Behörden baten das FBI, angemessene Schritte zu unternehmen, um die andauernden Verstöße sowohl gegen internationales Recht als auch die innerstaatlichen Gesetze der USA zu unterbinden. Als entsprechende Schritte der US-Regierung ausblieben, wurden Kopien des Materials, das dem FBI überreicht worden war, der New York Times zugeleitet. Nichts davon wurde veröffentlicht.
Als die US-Behörden endlich handelten, gingen sie aber nicht etwa gegen die Gewalttäter vor, von denen viele enge Kontakte zu Personenkreisen innerhalb des politischen, militärischen und geheimdienstlichen Establishments der USA unterhielten, sondern gegen jene, welche die Aktivitäten der Gewalttäter dokumentiert hatten - die Miami-5. Im September 1998 wurden sie schließlich angeklagt wegen Verschwörung zur Spionage und zu weiteren, allerdings geringeren Verbrechen. Indem zum Vorwurf der »Verschwörung« gegriffen wurde, entledigten sich Regierung und Anklagebehörde der genauen Aufklärungspflicht, welche Akte von »Spionage« denn im Detail begangen worden sein sollen. Nun mußte nur noch ein Geschworenengericht in Miami davon überzeugt werden, daß die fünf Angeklagten eine amorphe »Verabredung« darüber getroffen hatten, irgendwann in der Zukunft als Spione tätig zu werden. Tatsächlich erklärten US-Regierungsstellen kurz nach der Verhaftung der fünf Kubaner gegenüber der Presse, daß »es keine Hinweise gibt, daß sie Zugang zu Geheimdokumenten oder zu sicherheitsrelevanten Bereichen« hatten, und machten damit gleichzeitig deutlich, daß die nationale Sicherheit der USA »niemals bedroht« war.
Im vollen Bewußtsein, auf welch wackeligen Füßen die Anklage stand, und angesichts des steigenden Drucks seitens der kubanischen Exilkreise in Miami, sogar den kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro unter Anklage zu stellen, erweiterte die US-Regierung die Anklage sieben Monate nach der Verhaftung der fünf Männer um eine weitaus gewichtigere Form der Verschwörung: die »Verschwörung zum Mord«. Gerardo Hernández, einer der fünf Gefangenen, wurde unter Mordanklage gestellt, weil er die Organisation »Brothers To The Rescue« (Hermanos al Rescate) infiltriert hatte. Mitglieder dieser Gruppe waren im Februar 1996 zu Tode gekommen, als eines ihrer Flugzeuge bei dem Versuch, in den kubanischen Luftraum einzudringen, von der kubanischen Luftwaffe abgeschossen wurde.
Bevor ihnen der Prozeß gemacht wurde, hatten die fünf Kubaner bereits siebzehn Monate in Isolationszellen gesessen, die normalerweise dazu vorgesehen sind, Gefangene disziplinarisch zu bestrafen, die sich in der Haft schlecht geführt haben. Die Behörden beschränkten außerdem die Möglichkeiten der Rechtsanwälte, eine angemessene Verteidigung vorzubereiten, indem sie Sicherheitsbestimmungen erließen, die den Anwälten einen Zugang zu den Beweisen verwehrten.
Das Schicksal der fünf Gefangenen war bereits lange vor Beginn des Prozesses besiegelt, als der Vorsitzende Richter sich weigerte, das Gerichtsverfahren an einen anderen Ort außerhalb von Miami zu verlegen, um eine Jury wählen zu können, die nicht aus Bevölkerungskreisen stammt, die derart von Feindschaft gegenüber Kuba geprägt sind. Ein Prozeß muß an einen anderen Gerichtsort verlegt werden, wenn zu erwarten ist, daß ein faires Verfahren unmöglich ist, weil die Bevölkerung vor Ort nicht frei von Vorurteilen ist. Meinungsumfragen unter Einwohnern von Miami, zu denen über eine halbe Million Exilkubaner und ihre Familien gehören, erbrachten den überwältigenden Beweis für das Vorherrschen von Vorurteilen gegenüber den Miami-5. Ein fairer Prozeß war damit von vornherein ausgeschlossen. Trotzdem wurde der ausgewogene und begründete Antrag der Angeklagten, den Fall im nur 25 Meilen entfernten Fort Lauderdale zu verhandeln, abgelehnt, wodurch die fünf gezwungen waren, sich in einem Klima zu verteidigen, in dem - nach den Worten eines anerkannten Spezialisten zur Frage der Haltung von Einwohnern Miamis gegenüber Kuba - die Chancen für einen fairen Prozeß sich auf »null« reduzierten.
Der Prozeß dauerte fast sieben Monate - zum damaligen Zeitpunkt der längste Prozeß in der Geschichte der USA. Über siebzig Zeugen sagten für beide Seiten aus, u.a. rief die Verteidigung zwei US-Generäle, einen Admiral und einen Präsidentenberater in den Zeugenstand, die bestätigten, daß seitens der Angeklagten keine Verschwörung zur Verletzung der Gesetze der USA vorlag. Tausende Seiten von Dokumenten wurden als Beweismittel in die Hauptverhandlung eingeführt, zu denen auch zahlreiche der Berichte gehörten, welche die Angeklagten nach Kuba geschickt hatten und in denen die Gefahren beschrieben waren, die von den Gruppen ausgingen, die sie infiltriert hatten, und die eindrückliche Warnungen über bevorstehende Anschläge enthielten. Die Verteidigung ließ sogar einige der Anführer der exilkubanischen Konterrevolution vorladen, die dadurch gezwungen waren, ihre eigene Beteiligung an Gewaltakten gegen Kuba einzugestehen. Aber trotz all der von der Verteidigung vorgebrachten zwingenden Beweise sprach die Jury die fünf Angeklagten in einer übereilten Entscheidung in allen 26 Anklagepunkten schuldig.
Ebenfalls vorhersehbar waren die hohen Strafen, zu denen die fünf Angeklagten verurteilt wurden: Gerardo Hernández erhielt zweimal lebenslänglich plus 15 Jahre, Ramon Labañino einmal lebenslänglich plus 18 Jahre, Antonio Guerrero einmal lebenslänglich, Fernando González erhielt 19 und René González 15 Jahre Haft. Sofort im Anschluß an ihre Verurteilung wurden sie auf fünf verschiedene Gefängnisse verteilt, die so weit wie möglich voneinander entfernt sind, nämlich in den Bundesstaaten Texas, California, Colorado, Wisconsin und South Carolina.
Just in jenem Moment, als ihr Fall im März 2003 vor die nächst höhere Berufungsinstanz gehen sollte, wurden alle fünf gleichzeitig in Isolationszellen gesteckt, die sonst nur für gewalttätige und nicht integrierbare Gefangene vorgesehen sind, die sich schwere Verstöße gegen die Anstaltsordnung haben zu Schulden kommen lassen. Nach Angaben der Gefängnisverwaltungen vor Ort geschah das »auf Weisung aus Washington«, und die unmittelbar Verantwortlichen waren perplex über diese Anweisung, weil die fünf Gefangenen im Gegenteil eher durch ihr vorbildliches Verhalten aufgefallen waren. Erst nach weltweiten Protesten, u.a. auch von Mitgliedern des Kongresses der USA, gegen diese ungerechtfertigte Sonderbehandlung, erhielten die fünf wieder ihren regulären Gefangenenstatus zurück.
Ihr Fall befindet sich bei Drucklegung dieses Nachwortes in der Berufungsinstanz vor dem 11. Bundesbezirksgericht der USA. Die Entscheidung dieser Bundesrichter wird entweder ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte der Ungerechtigkeiten gegen die kubanische Revolution markieren oder, wie zu hoffen ist, zu einem scharfen und notwendigen Bruch mit dieser schändlichen Vergangenheit führen.
Weitere Informationen: www.miami5.de[2])
Die fünf politischen Gefangenen, bekannt als »The Cuban 5«, »The Miami 5« oder »Los Cinco Heroes«
Ramón Labañino
c/o Luis Medina
No. 58734-004
U.S.P. Beaumont
P.O. Box 26035
Beaumont, TX 77720-6035, USA
(Verurteilt am 13.12.01: Lebenslänglich + 18 Jahre)
Antonio Guerrero
No. 58741-004
U.S.P. Florence
P.O. Box 7500
Florence CO, 81226, USA
(Verurteilt am 27.12.01: Lebenslänglich + 10 Jahre)
René González
No. 58738-004
FCI Marianna
P.O. Box 7007
Marianna, FL 32447-7007, USA
(Verurteilt am 14.12.01: 15 Jahre)
Gerardo Hernández
No. 58739-004
U.S.P. Victorville
P.O. Box 5500
Adelanto, CA 92301, USA
(Verurteilt am 12.12.01: 2x Lebenslänglich + 15 Jahre)
Fernando González
c/o Ruben Campa
No. 58733-004
F.C.I. Oxford
P.O. Box 1000
Oxford, WI 53952-0505, USA
(Verurteilt am 18.12.01: 19 Jahre)