junge Welt Nr. 264 vom 13. November 2003
In der letzten Sonntagsausgabe des Philadelphia Inquirer machte sich Kolumnist Tom Ferrick darüber lustig, daß der schwarze Bürgerrechtler und Todeskandidat Mumia Abu-Jamal Anfang Oktober Ehrenbürger von Paris geworden ist. »Mumia nahm an dem Festakt nicht teil, weil er anderweitig beschäftigt war. Er sitzt nämlich im Staatsgefängnis von Waynesburg, Pennsylvania - für den Mord an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner. Er hat Faulkner getötet. Er ist ein Mörder.« Artikel dieser Art sind dieser Tage in der US-Presse keine Seltenheit. Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft läßt einige staatstragende Zeitungen über »die Franzosen« schäumen wie vor dem Irak-Krieg und erneut zum Boykott französischer Waren aufrufen.
Wenn aber jemand wie der Oskar-Gewinner und Bestsellerautor Michael Moore in eine ähnliche Kerbe schlägt, dann schreckt das seine Fangemeinde auf. Wie junge Welt berichtete, hat Moore in seinem neuen Buch »Dude, Where's My Country« in einem Kapitel erklärt: »Mumia Abu-Jamal hat diesen Typen [Daniel Faulkner] wahrscheinlich umgebracht.« Das führte in den USA schon zu heftigen Reaktionen. Eine Flut von Protest-E-Mails hatte mike@michaelmoore.com zum Adressaten.
Moore, der 1997 noch »persönlich dem Gouverneur von Pennsylvania in den Hintern treten« wollte, muß nun damit rechnen, daß ihm bei seinem anstehenden Deutschlandbesuch selbst einige Demonstranten gern in den Hintern treten würden. Bildhaft gesprochen natürlich. Wer würde es schon wagen, dem derzeit liebsten Hofnarren des bürgerlichen Feuilletons von taz bis FAZ an die saloppe Khaki-Wäsche zu gehen? In den USA laufen immerhin Wetten, wann Moore sein erstes »Pie-ing« erlebt, ihm also eine erste nonverbale Kritiktorte ins Gesicht klatscht.
In Augsburg, Berlin, Hamburg, Köln, München und Wien schickt der Münchner Piper Verlag nun sein »Flaggschiff« Moore ins bewegte Meinungsmeer, gerüstet mit der deutschen Übersetzung von »Dude, Where's My Country«. Die pseudomilitante Übersetzung des Titels lauetet: »Volle Deckung, Mr. Bush«. Kein Superlativ ist dem Verlag für seinen Moneymaker Moore zu peinlich: Als »der schärfste Kritiker des Mannes im Weißen Haus« wird »Amerikas letzter Rebell« gepriesen, und blasen würde »›Mike's Miliz‹ zum Sturm auf das Weiße Haus«, alles Quatsch: »In seiner unvergleichlichen Mischung aus Satire und bitterem Ernst nominiert Michael Moore Gegenkandidaten wie Oprah Winfrey und Wesley Clark.«
Mit der Wahlkampfunterstützung des Kriegsverbrecher-Generals Clark aber nimmt es Moore sehr ernst: »Es stimmt schon, da draußen gibt es eine Bedrohung, aber von wem wollt ihr euch lieber beschützen lassen: Von einem Typen, der sich schon in Omaha verkrümelt hat, oder von einem der besten Generäle dieses Landes? Clark hat man die höchsten Militärorden dieses Landes verliehen...« Alles Originalton Moore. Und so geht es munter weiter im Buch des extrovertierten, bemüht witzigen und in seiner Anti-Bush-Kritik weit hinter Hillary Clinton zurückfallenden Politclowns. »Amerikas letzter Rebell«, scheint es, darf keine anderen Rebellen neben sich dulden. Gibt es einen plausibleren Grund dafür, daß er die große Publizität seines Buches nutzt, Mumia Abu-Jamal zum Polizistenmörder zu stempeln?
In den nächsten Tagen wird er sich fragen lassen müssen, warum er sich auf die Seite der Anklage gestellt hat, die durch die zehnjährige Arbeit von Abu-Jamals Verteidigung mittels zahlreicher Unschuldsbeweise längst ihrer rassistischen und politischen Motive überführt ist. Kulturschaffende und Gruppen des bundesweiten Netzwerks für Mumia Abu-Jamal rufen deshalb für Berlin, Hamburg und Köln zu Protesten auf, auch wenn ihre auf Flugblättern und mündlich vorgebrachten Fragen im Klamauk der Promotiontour möglicherweise untergehen werden.
Vielleicht stimmt Moore wenigstens nachdenklich, was Buchhandlungen sich als nachahmenswerte Protestform überlegt haben: Sie schicken ihre Bestände an Moore-Büchern als »Wurfsendung« deklariert an den Verlag zurück. Volle Deckung, Mr. Moore!
Michael Moore, Sonntag, 17.30 Uhr und 20.30 Uhr, Columbiahalle Berlin; Montag, 20.30 Uhr, CCH Hamburg; Dienstag, 17 Uhr und 20 Uhr, Musical Dome Köln.
Weitere Termine von Veranstaltungen und Pressekonferenzen und Kontakt zum Verlag, um seinem Protest Ausdruck zu verleihen: www.michael-moore-kommt.de[1]
Jürgen Heiser