Link zum Artikel in junge Welt Nr. 82 vom 7. April 2025: Bitte HIER klicken![1]
Unschuldsbweise »verjährt«
Ende März ist der US-Bürgerrechtler und politische Gefangene Mumia Abu-Jamal ein weiteres Mal seiner Berufungsrechte beraubt worden. Am 26. März 2025 schmetterte der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias einen Antrag auf rechtliche Überprüfung seines Urteils von 1982 ab. Vor bald 43 Jahren war der engagierte Journalist wegen angeblichen Polizistenmordes zuerst zum Tode, später dann zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
In Pennsylvania gibt es kein verbrieftes Recht auf eine Berufung vor dem Obersten Gerichtshof. Es ist vielmehr durch einen speziellen Antrag zunächst die Erlaubnis bei diesem Gericht einzuholen, überhaupt angehört zu werden. Zuletzt hatte der Pennsylvania Superior Court von Philadelphia im September 2024 den sechsten Wiederaufnahmeantrag Abu-Jamals in Bausch und Bogen abgelehnt. Der von der Verteidigung gestellte Antrag gegen diese Entscheidung richtete sich an das höchste Gericht des US-Bundesstaats.
Rachel Wolkenstein, eine frühere Anwältin von Abu-Jamal, äußerte am vergangenen Mittwoch in der San Francisco Bay View National Black Newspaper die Befürchtung, durch die Gerichtsentscheidung werde »Mumias Klageweg vor den Gerichten in Pennsylvania zur Aufhebung seiner Verurteilung beendet«. Doch Abu-Jamals Verteidigungsteam lässt sich von der jüngsten Gerichtsentscheidung nicht beeindrucken. Es werde sich weiter beharrlich für die Wiederaufnahme des Verfahrens einsetzen, erklärte Ende vergangener Woche Noelle Hanrahan, Juristin und Gründerin des Projekts Prison Radio, gegenüber jW.
In einer ersten Einschätzung der neuen Lage nach dem höchstrichterlichen Spruch nannte Hanrahan die Entscheidung einen »harten Schlag«, der jedoch nicht unerwartet gekommen sei. Die Gerichte würden erst dann Abhilfe schaffen, »wenn wir die nötige Kraft organisiert haben, um gegen diese große Ungerechtigkeit und politische Korruption vorzugehen«. An Abhilfe war der Oberste Gerichtshof sicher nicht interessiert, obwohl es um Tatsachenbeweise für die Unschuld Mumia Abu-Jamals geht, die weder 1982 im Strafprozess noch in den ersten Berufungsanträgen berücksichtigt wurden. Die Staatsanwaltschaft hatte sie Jahrzehnte »vergraben«, wie Hanrahan kritisierte.
■ Die neuen Beweise waren vor etwas mehr als fünf Jahren in Archivkartons »in der Abstellkammer Nr. 17 im Keller der Staatsanwaltschaft« aufgefunden und der Verteidigung über 30 Jahre zu spät zur Kenntnis gebracht worden, so Hanrahan. Der Journalist und frühere Arbeitskollege Abu-Jamals, Linn Washington, hatte auf das Argument der Gerichte, einige der Unschuldsbeweise seien »verjährt«, erwidert, Verjährung dürfe keine Rolle spielen, wenn es »100 Jahre dauert, bis die Beweise aufgedeckt werden«.
Mit dem Argument der Verjährung legte auch der sich progressiv gebende Bezirksstaatsanwalt Larry Krasner Widerspruch gegen den Berufungsantrag Abu-Jamals ein. Angeblich wollte er mit der korrupten Vergangenheit seines Amtes aufräumen, doch er bestätigte die »Mumia-Ausnahme«, indem er die von Krasners Vorgängern unterdrückten Beweismittel als »nicht gerichtsverwertbar« ablehnte, da Abu-Jamals Verteidigung sie »zu spät vorgebracht« habe. Würden diese Dokumente gerichtlich verhandelt und die noch lebenden Zeugen ins Kreuzverhör genommen, hätte das nach Einschätzung der Verteidigung unweigerlich den Zusammenbruch der Anklage zur Folge. Ihr Mandant müsste dann sofort freigelassen werden.
Genau das wollte das höchste Gericht Pennsylvanias verhindern, indem es eine Anhörung verweigert, in der gekaufte und erpresste Hauptbelastungszeugen sowie die rassistischen Motive der Ankläger bei der Auswahl einer vorwiegend weißen Jury zum Thema würden. Demgegenüber räumte ebendieser Gerichtshof schon vor Jahren derm Berufsverband Fraternal Order of Police (FOP) und der Witwe des 1981 getöteten Polizisten Daniel Faulkner, Maureen Faulkner, das Recht ein, jederzeit Beschwerde gegen Berufungsanträge Abu-Jamals einzulegen. Wie Hanrahan jetzt in Erinnerung rief, hatte Witwe Faulkner dazu offen ihre Racheabsichten gegenüber Abu-Jamal geäußert: Sie wolle »sicherstellen, dass er ohne Anhörung im Gefängnis sterben« werde.
Jürgen Heiser