Kolumne 5.07.03: Lukrative Kriegsbeute

07.07.03 (von maj) US-Wirtschaft wittert Profite in Irak. Lügen zur Rechtfertigung von Angriffen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 154, 5./6. Juli 2003

»Wenn Kriegsziele genannt werden, die scheinbar nur dem ›anglo-amerikanischen Imperialismus‹ dienen, wird der Rest der Welt darin keinen Nutzen sehen. Die Interessen anderer Völker sollten deshalb dabei berücksichtigt werden. Das hätte einen besseren Propagandaeffekt.«
(Aus einer internen Notiz über Gespräche zwischen dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten und dem USA-Außenministerium des Jahres 1941)

Unter dem immensen Druck der US-amerikanischer Bomben und mit ergebener Einwilligung der UNO ist der irakische Staat zerstört worden. Was der Weltöffentlichkeit als eine letzte Schlacht gegen »Massenvernichtungswaffen« verkauft wurde, wandelte sich zu einem Kampf gegen »Saddam«, um das unterdrückte irakische Volk zu »befreien«. Jene, die vor ein paar Wochen noch bombardiert wurden, werden künftig Gastgeber einer Horde US-amerikanischer Unternehmen sein, die Milliarden daran verdienen werden, daß die zerstörte Infrastruktur des Landes wieder aufgebaut wird. Sie wurde im Verlauf der letzten zwölf Jahre zerstört durch die Aggression der UN-Diplomatie und anglo-amerikanischer Angriffe.
Ob es noch »Massenvernichtungswaffen« gab, interessiert heute kaum noch jemanden. »Das war gestern - heute ist heute«, verkünden die konzernhörigen Mediengiganten. Und die Bevölkerung der USA scheint mehr daran interessiert zu sein, was das Fernsehprogramm zu bieten hat, als an den Gründen, warum in ihrem Namen Krieg geführt wird. Daß sich niemand darum schert, hat seine Gründe. Erstens sind diejenigen, die bombardiert und attackiert wurdem »Araber« (was noch ein freundlicher Begriff ist gegenüber »wogs«, mit dem die Briten verächtlich Inder und Araber belegen, oder »Wüsten-Nigger«, wie in den USA gebräuchlich). Zweitens ist es nicht das erste Mal, daß die US-Regierung Lügen gebraucht, um die Bevölkerung in einen Kriegstaumel zu versetzen.
Vor etwas mehr als zehn Jahren, als es darum ging, die USA-Bevölkerung in Kriegsstimmung zu bringen, verbreiteten sie die Nachricht von den »entführten Brutkasten-Babys« und ließen eine schluchzende Kinderkrankenschwester vor handverlesenen Kongreßabgeordneten von den skrupellosen irakischen Soldaten erzählen, die in kuwaitische Krankenhäuser eingedrungen seien. Diese Horrorgeschichte ging allen Menschen, die Kinder haben, unter die Haut, und es dauerte nicht mehr lange, bis dann Zehntausende irakischer Soldaten auf dem »Highway of Death« in Richtung Bagdad zur Hölle geschickt wurden. Später kam heraus, daß diese Geschichte ein Ammenmärchen war, daß von den Medien rund um den Globus bereitwillig ausgestrahlt wurde. Die »Krankenschwester« war in Wahrheit Mitglied einer der kuwaitischen Herrscherfamilien, der al-Sabahs, und sie war noch nicht einmal persönlich im Land, als der irakische Einmarsch erfolgte. Und der konnte auch nur erfolgen, weil die Botschafterin der USA, April Glaspie, Präsident Hussein persönlich versichert hatte, die USA würden sich »nicht in Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait einmischen«.
Nach dem 1991er Golfkrieg beklagte sich der damalige General Colin Powell darüber, ihm gingen die Sündenböcke aus: »Machen Sie sich bitte klar, daß ich bald keine Bösewichter mehr vorzuzeigen habe. Mir gehen die Gauner aus.« (Toronto Star, 9.4.91) In den Augen der USA war Saddam Hussein auf die eine wie die andere Art äußerst nützlich. Als die islamische Revolution in Iran den mittlerweile verstorbenen Schah zum Abdanken zwang, drückten die USA Saddam Hussein an ihre Brust und bewaffneten ihn bis an die Zähne, um ihn einen verbrecherischen Stellvertreterkrieg gegen das iranische Volk führen zu lassen. Fast ein Jahrzehnt stürzten sich die beiden Nationen in ein beiderseitiges Blutbad, das erst beendet wurde, nachdem schon eine Million Menschen zu Tode gekommen waren.
Später war das Verlangen der USA nach dem, was unter dem irakischen Sand liegt, größer als nach Saddam Hussein, und so mußten sie sich eine Begründung zurechtzimmern, die der eigenen Bevölkerung an die Nieren gehen würde. Das Zauberwort war »Massenvernichtungswaffen«.
Wie die »Brutkästen«-Geschichte, die irakische Soldaten als ruchlose Verbrecher darstellte, die Krankenhäuser plündern und dabei Babys auf den kalten Fußboden werfen, traf die Geschichte mit den »Massenvernichtungswaffen« die Ängste der USA-Bevölkerung an einer Stelle, die seit dem 11. September 2001 wie eine offene Wunde schwelte. Und nun, nachdem die US-Truppen jedes irakische Sandkorn gewendet haben und nicht ein Fitzelchen einer solchen Waffe gefunden wurde, insistiert die Bush-Administration darauf, der Krieg sei geführt worden, um die Irakis von einem brutalen Tyrannen zu »befreien«. Eben jene Kräfte, die diese Diktatur seit Jahrzehnten unterstützt haben, geben nun vor, das Volk von ihr zu befreien.
Welche Kriege werden als nächste geführt? Gegen Iran? Gegen Syrien? Und welche Lügen wird die Propagandamschine der USA-Regierung uns dann auftischen?

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 25.04.2024 um 21:40:10 Uhr