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Kampf gegen Isolationshaft
Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Abschaffung der Isolationshaft in US-Bundesgefängnissen sowie in Haftanstalten der US-Einwanderungsbehörden vorsieht. Das Gesetz würde die in den USA übliche 22stündige Isolierung pro Tag abschaffen. Eine Ausnahme ist lediglich für sogenannte Notfälle vorgesehen, in denen die Isolierung von Häftlingen »in einer Deeskalationsphase nicht länger als vier Stunden dauern« dürfe. Das berichtete am Freitag das unabhängige US-Nachrichtenportal Truthout. Im tags zuvor vorgelegten Entwurf wird gefordert, dass Inhaftierte mindestens 14 Stunden pro Tag außerhalb ihrer Zellen verbringen können, einschließlich sieben Stunden für Bildungs- und psychologische Programme. Zudem werden Mindeststandards für die Inhaftierung festgelegt und Anreize für Bundesstaaten und Kommunen geschaffen, die Isolationshaft in ihren Anstalten zu beenden.
Die Koalition von sechs Demokraten des US-Unterhauses unter Leitung von Cori Bush, Abgeordnete aus Missouri, wird dabei von der bundesweit tätigen Anti-Solitary-Taskforce unterstützt, einem Bündnis von etwa 150 Bürgerrechtsorganisationen, die sich seit längerem bemühen, jedwede strikte Einzelhaft in den USA zu beenden. »Isolationshaft ist eine moralische Katastrophe«, erklärte Bush bei der Vorstellung des Entwurfs. Sie verwies auf frühere UN-Sonderberichterstatter über Folter wie Nils Melzer, der 2020 erklärt hatte: »Es scheint eine staatlich sanktionierte Politik zu geben, die darauf abzielt, absichtlich schwere körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zuzufügen, was durchaus der Folter gleichkommen kann.« Auch sein Vorgänger Juan Méndez hatte nach dem Besuch einiger US-Haftanstalten kritisiert, die »Fortsetzung der Einzelhaft über den 15. Tag hinaus ist Folter«.
Es sei »unbestreitbar, dass Isolationshaft Folter ist«, fasste Bush die Faktenlage zusammen. Dabei spiele es keine Rolle, »ob sie ›administrative Absonderung‹, ›restriktive Unterbringung‹ oder was auch immer genannt« werde. Isolierung führe »zu Selbstverstümmelung, Selbstmord, Herzkrankheiten, Angstzuständen, Depressionen, Psychosen, geistigem und körperlichem Verfall und einem deutlich erhöhten Sterberisiko«, so Bush. Truthout ließ Betroffene wie Evie Litwok zu Wort kommen, die nach sieben Wochen Isolation bis heute unter ständigen Kopfschmerzen, Schwindel und Klaustrophobie leidet. Sie könne sich nicht mehr an Orten aufhalten, die zu laut, überfüllt oder zu eng seien. »Körperlich, geistig und emotional« habe sie diese Erfahrung »für immer zerstört«. William Blake saß 34 Jahre in Einzelhaft. Es passiere »nicht viel und nichts Neues, das dir sagen könnte, ob es Montag oder Freitag, März oder September, 1987 oder 2012 ist«. Gefangen »in der Leere« des Isolationstrakts, habe er jede Hoffnung verloren.
Isolierte Gefangene verbringen in den USA in der Regel 23 Stunden am Tag in ihren maximal zwei mal drei Meter großen Zellen, die mit massiven Metalltüren verschlossen sind. Mahlzeiten werden ihnen durch Klappen in den Türen gereicht. Sie dürfen nicht arbeiten oder an Programmen teilnehmen, und oft werden ihnen Radios und Lesestoff entzogen. Ein im Mai veröffentlichter Bericht von Solitary Watch und Unlock the Box zeigt, dass nach den zuletzt 2019 erhobenen Daten in US-Bundesgefängnissen über 11.000 Strafgefangene und weitere 11.490 Untersuchungshäftlinge von Isolationshaft betroffen sind. Nimmt man die übrigen Staatsgefängnisse dazu, sind insgesamt rund 122.000 Menschen in den USA isoliert und davon 62.500 mehr als 15 Tage – bis zu Jahrzehnten. In diesen Zahlen sind die vielen, ebenfalls in Einzelhaft eingesperrten Geflüchteten nicht enthalten, die in die USA einwandern wollen.
Der Ausgang der Abstimmung über das Gesetz ist offen. Bush erklärte jedoch, sie sei stolz darauf, »dieses bahnbrechende Gesetz mit meinen Kollegen, mit Anwälten und Überlebenden der Isolationshaft« auf den Weg zu bringen. »Gemeinsam werden wir Leben retten, indem wir diese abscheuliche und unmoralische Praxis ein für alle Mal beenden.«
Jürgen Heiser