Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 95 vom 24. April 2023: Bitte HIER klicken![1]
Isoliert von allem
Nur wenige Menschen wissen wirklich, welche Bedeutung die Todestrakte im US-Gefängnissystem haben. Sie werden von Politikern als politische Waffe eingesetzt und sind ein Sprungbrett auf ihrem Weg an die Macht. Aber der Todestrakt ist weit mehr als das. Es ist ein Ort, an dem Männer und Frauen – und bis vor kurzem sogar Jugendliche – in peinigender Einsamkeit und Verzweiflung leben und sterben müssen.
Der Todestrakt wurde speziell dafür geschaffen, Menschen physisch und psychisch zu isolieren. Gestützt durch die US-Gesetze wurde im Todestrakt eine Kaste der Unberührbaren geschaffen, in der man von niemandem berührt werden durfte. Nicht von den eigenen Kindern, den Eltern und nicht einmal vom Ehepartner.
Aber das ist noch nicht alles. Du wurdest sogar von all den anderen Menschen isoliert, die selbst im Todestrakt sind! Eingeschlossen in einer Zelle, allein für 23 Stunden am Tag, warst du streng isoliert – bis du hingerichtet wurdest oder den Todestrakt verlassen konntest. Viele, vielleicht die meisten Männer verbrachten Jahrzehnte unter solchen Bedingungen. Und warum? Weil der Staat durch die Schaffung solch extremer Bedingungen dafür sorgte, dass die Menschen in eine Art lebende Tote verwandelt wurden. Derart gebrochen, dass der tatsächliche Tod eine Erlösung sein würde.
Zumindest in Pennsylvania scheint das Todesstrafenfieber inzwischen zu sinken. Der einzige Todestrakt wurde verkleinert, weil die Zahl der zum Tode verurteilten Häftlinge auf etwa hundert gesunken ist. Die Männer dürfen sich mittlerweile mehr als acht Stunden pro Tag außerhalb ihrer Einzelzellen aufhalten, und sie haben das Recht auf Kontaktbesuche. Aktuell unterzeichnet der Gouverneur auch bei verhängten Todesurteilen keine Hinrichtungsbefehle mehr und strebt die Abschaffung der Todesstrafe an. Das Blatt scheint sich also zu wenden, und vielleicht werden die Todeszellen irgendwann nur noch grausame Erinnerung sein.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Der US-Bürgerrechtler und das ehemalige Mitglied der Black-Panther-Partei Mumia Abu-Jamal war selbst fast 29 Jahre – von 1982 bis Ende 2010 – unschuldig in den Todestrakten der Staatsgefängnisse von Huntingdon und Waynesburg (Pennsylvania) eingesperrt, bis das Todesurteil gegen ihn als verfassungswidrig aufgehoben und in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Mit den Worten »Erzählt mir nichts vom Schattenreich des Todes. Ich lebe dort«, beginnt sein 1995 auf deutsch erschienener Essayband »Aus der Todeszelle – Live from Death Row«. Abu-Jamal konnte den heute letzten Todestrakt des Bundesstaats in Waynesburg zwar krank, aber lebend verlassen. Die US-Justiz weigert sich nach fast 42 Jahren Haft jedoch noch immer, seinen Prozess neu aufzurollen. Und so wird er auch seinen 69. Geburtstag an diesem Montag im Staatsgefängnis Mahanoy in Pennsylvania begehen.
Zu seiner Unterstützung wird eine Delegation des »UN Expert Mechanism on Law Enforcement and Anti-Black Racism« in den USA eintreffen, um seine Situation und die der anderen schwarzen Gefangenen zu untersuchen. (jh)
Die Berliner Solidaritätsgruppe »Free Mumia« veranstaltet zu Abu-Jamals 69. Geburtstag eine Lesung aus seinem kürzlich im Westend-Verlag erschienenen Buch »Texte aus dem Todestrakt« und gibt Updates zur laufenden Kampagne: Montag, 19.30 Uhr im »Syndikat«, Emser Straße 131, Berlin