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Bande der Solidarität
Auf Initiative von Gewerkschaften aus den USA, Südafrika und weiteren Ländern nimmt eine internationale Kampagne für die Freilassung des US-Bürgerrechtsaktivisten und politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal wieder an Fahrt auf. Bis zum 16. März sollen vielfältige Aktionen Abu-Jamals Verteidigung bei ihrem juristischen Kampf für die Wiederaufnahme seines Gerichtsverfahrens unterstützen. Der ehemalige Black Panther sitzt seit über 41 Jahren im Gefängnis, weil ihm der Mord an einem rassistischen Polizisten untergeschoben wurde, der 1981 seinen jüngeren Bruder misshandelt hatte.
Zum Auftakt des weltweiten Aktionsmonats bestreikten Ortsgruppen der US-Hafenarbeitergewerkschaft ILWU am Donnerstag befristet die Häfen von San Francisco und Oakland in Kalifornien. Ihnen schloss sich in Südafrika die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA an, deren Mitglieder vor der US-Botschaft in Pretoria und dem US-Konsulat in der Hafenstadt Durban für die Freilassung Abu-Jamals demonstrierten. In Tokio hielten in der japanischen Doro-Chiba-Gewerkschaft organisierte Eisenbahner eine Protestkundgebung vor der US-Botschaft ab. Der »Arbeitskreis Internationalismus« der Berliner IG Metall erklärte sich in einer Grußadresse an die ILWU solidarisch mit der Blockade der Häfen. Mumia Abu-Jamal sei unschuldig und sitze »zu Unrecht für ein Verbrechen im Gefängnis, das er nicht begangen hat«. Wie der seit 46 Jahren inhaftierte indigene Aktivist Leonard Peltier sei auch Abu-Jamal »Opfer eines auf Rassismus und Ausbeutung basierenden Systems«.
Keith Brown, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft OEA von Oakland, forderte im Namen der 3.000 Mitglieder »Mumias sofortige Freilassung«. Es müsse Schluss sein mit dem »Übel der Masseninhaftierung schwarzer US-Bürger« und Abu-Jamal die Möglichkeit zu einer fairen Gerichtsanhörung erhalten. In Portland, Oregon, verabschiedete die Ortsgruppe der Gewerkschaft der Theater-, Fernseh- und Filmschaffenden IATSE eine Solidaritätsresolution, in der sie dazu aufrief, dass die Arbeiterklasse ihre Macht dafür einsetzen müsse, »Mumia durch Agitation und fortlaufende nationale und internationale Protestaktionen zu befreien«. Zur Unterstützung der Gewerkschaftsaktionen fand am Samstag in Boston, Massachussetts, eine »Free Mumia-Kundgebung« statt. Bereits am 13. Februar hatten die Radiosender WBAI in New York und WPFW in Washington, D. C., unter dem Motto »Mumias Freiheit ist die Sache der Arbeiterinnen und Arbeiter« ein Teach-in ausgestrahlt, an dem Beschäftigte lokaler Einzelgewerkschaften teilnahmen.
Der Aktionsmonat zielt auf die für diese Zeit anstehende Entscheidung der Richterin Lucretia Clemons vom Common Pleas Court in Philadelphia ab. In ihrer Macht liegt es jetzt, ob der 68jährige Abu-Jamal die faire rechtliche Würdigung seiner bislang von der Justiz ignorierten Unschuldsbeweise noch erleben wird oder bis an sein Lebensende hinter Gittern bleiben muss. Der Generalsekretär der NUMSA, Irvin Jim, verwies deshalb in einem Brief an Clemons auf das Apartheidregime in Südafrika, das »auch Nelson Mandela 27 Jahre lang ins Gefängnis verbannt« habe. Ohne die Solidarität der Antiapartheidbewegung in den USA »wären unser Land und unser Volk nicht befreit worden«, betonte Jim. Im Namen Hunderttausender Metallarbeiter in Südafrika, »die sowohl den bitteren Geschmack des Unrechts als auch die unsterbliche Hoffnung auf Freiheit kennen«, bat der Gewerkschafter Richterin Clemons, »das Richtige zu tun und den Genossen Mumia Abu-Jamal freizulassen«.
Die Aktivistin Angela Davis, die Anfang der 1970er Jahre selbst politische Gefangene in den USA war, hatte Irvin Jim zuvor in einem Brief dafür gedankt, dass er 2016 bei Pennsylvanias Gouverneur Thomas Wolf gegen die medizinische Nichtversorgung des schwer erkrankten Abu-Jamal protestiert und die Ähnlichkeiten der Behandlung politischer Gefangener unter dem südafrikanischen Apartheidregime und den Bedingungen in Pennsylvanias Knästen hervorgehoben hatte. Davis dankte der NUMSA dafür, dass sie heute mit der ILWU für »die Bande der Solidarität« sorge, »die die weltweite Kampagne für Mumia zusammenhalten«. Jetzt bestehe »die beste Chance seit langem«, schrieb Davis, »Mumias Freiheit wirklich zu erreichen«.
Jürgen Heiser