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Totenwache für Lynn Steele
In Rapid City im US-Bundesstaat South Dakota hat am Montag mittag (Ortszeit) im »Sioux Funeral Home« die öffentliche Totenwache für die Indigene Abbey Lynn Steele begonnen. Die 20jährige Angehörige der Oceti Sakowin Nation war am 2. Dezember 2022 im Monument Hospital von Rapid City verstorben, nachdem sie dort am 16. November bewusstlos aus dem Pennington County Jail als Notfall eingeliefert worden war. Die indigene Gemeinschaft der Stadt reagierte am vergangenen Freitag mit einer »Erklärung von Stammes- und Gemeinschaftsorganisationen und besorgten Einzelpersonen« auf den ungeklärten Tod der jungen Mutter zweier Kinder. Die rund einhundert unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen forderten eine »unabhängige Untersuchung und Autopsie durch Experten außerhalb von South Dakota« sowie die »Freigabe von Videoaufnahmen und Details über Abbeys Inhaftierung«.
Nach den vorliegenden Informationen hatte Steele fünf Tage vor ihrer gewaltsamen Verhaftung bei einer Notoperation ihr zweites Kind zur Welt gebracht. Aufgrund eines nicht näher bezeichneten »ausstehenden Haftbefehls« wurde sie von einem Beamten des Rapid City Police Department verhaftet, der sie nach Angaben der Familie zuvor bereits dreimal wegen Lappalien festgenommen hatte. Inzwischen veröffentlichte Videoaufnahmen zeigen, wie dieser Polizeibeamte die verstörte Abbey Steele verfolgt und ihr unter Gewaltanwendung Handschellen anlegt. Und das, »als sie nach der Geburt und einer Operation aus medizinischer Sicht in höchstem Maße gefährdet war«, heißt es in der Erklärung.
Weder das Gefängnis noch die Polizei haben nach der Verhaftung Steeles auf die Fragen ihrer Mutter nach ihrem Aufenthaltsort geantwortet. Sie erfuhr auch nicht, dass ihre Tochter bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert worden war und ihre Atmung ausgesetzt hatte. Erst als Amy Steele in ihrer Verzweiflung das Krankenhaus anrief, erfuhr sie, dass Abbey dort eingeliefert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden war.
Die Erklärung kritisiert die »andauernde Verletzung der Menschen-, Vertrags- und Bürgerrechte der Oceti Sakowin und anderer indigener Völker in dieser Stadt und in diesem Bundesstaat«. Die »Versäumnisse der Justiz und des medizinischen Systems in Rapid City« seien verantwortlich für Abbey Steeles Tod. Das Versagen des Systems habe seine Wurzeln in rassistischer Feindseligkeit, dem Übel weißer Vorherrschaft und einem Muster polizeilicher und behördlicher Praktiken, »die sich gegen die amerikanischen Ureinwohner von South Dakota richten«, so die Protestnote.
Der Tod Abbey Steeles unter der Aufsicht wichtiger Institutionen in Rapid City sei »ein Affront gegen die grundlegende Menschenwürde«. Was ihr geschehen sei, reihe sich ein in die »Geschichte von Misshandlungen, Diskriminierungen und grob fahrlässigem Verhalten gegenüber indigenen Völkern« und »insbesondere unseren Frauen«. »Wir haben keinen Grund, irgendeiner Darstellung zu vertrauen, die von Institutionen kommt, die unserem Volk weiterhin Gewalt antut«, heißt es in der Erklärung vom Freitag, es bestehe jedoch »Grund zu der Annahme, dass die Verwalter des Pennington County Jail und der anderen Behörden die Manipulation der Öffentlichkeit koordinieren, um die Schuld abzuschieben und sich der Verantwortung zu entziehen, obwohl Abbey Steele in ihrer Obhut und ihrem Gewahrsam starb«.
Da solche Fälle allein wegen der Vollstreckung von Haftbefehlen wegen Schulden und kleiner Delikte in der Vergangenheit gehäuft vorkamen, fordert die indigene Gemeinde eine Amnestie für derartige Vergehen sowie eine Neuausrichtung des Vollstreckungsverfahrens, da es dabei immer wieder zu enormer Gewalt komme. Außerdem verlangt sie eine Verpflichtung der Behörden zur Benachrichtigung von Familien, deren Angehörige aufgrund von Verletzungen, die sie im Gefängnis erlitten haben, ins Krankenhaus verlegt werden. »Abbey könnte heute noch leben, wenn diese Veränderungen früher erfolgt wären«, so eine Sprecherin von »Native Lives Matter«.
Jürgen Heiser