Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 75, 29./30. März 2003
Wenn diese Zeilen veröffentlicht werden, wird der Himmel über Bagdad wahrscheinlich in gleißendes rotes Licht getaucht sein. Das wird nicht von der heißen irakischen Sonne herrühren, sondern von einem Flammenmeer, das die Bombardements des begonnenen Irak-Krieges ausgelöst haben.
Wenn das eingetreten ist, dann haben die Herrschenden in den USA sich aller diplomatischen Maskerade entledigt, haben das Feigenblatt der Vereinten Nationen abgelegt und sich dem Willen der Kriegsfraktion in der US-Regierung unterworfen, die sich im Rausch der Macht dafür entschieden hat, die Welt nach ihrem verschrobenen Bild neu zu erschaffen. Sie werden das Wort »Demokratie« so oft für ihre Zwecke mißbrauchen, bis es jeden Inhalt verloren hat. Sie schreiten voran unter dem zerlumpten Banner der »Demokratie« im Angesicht der seit Generationen größten Antikriegsdemonstrationen und im Angesicht einer Bevölkerung, die derart in Angst und Schrecken versetzt worden ist, daß jeder Verstand ausgesetzt hat und die Lüge akzeptiert wird, der Grund für den Krieg sei, daß die Irakis irgend etwas mit den Anschlägen des 11. September zu tun haben und daß Amerika gegen jene zurückschlagen muß, von denen es selbst Schläge versetzt bekam. Dieses Denken folgt der rassistischen Logik: wenn die Dschihadis des 11. September Araber waren, dann sind alle arabischen Länder potentielle Terroristen.
Der verrückte Texaner will uns weismachen, er habe eine »Koalition der Willigen« zusammengebracht, dabei handelt es sich bestenfalls um eine »Koalition der einzig Verfügbaren«. Diese Koalition ist nichts als der beschämende und vergebliche Versuch, die Vereinten Nationen zu imitieren. Mehr als alles andere ist es eine »Gang der Gekauften«, die beste Koalition, die für Geld und Privilegien zu haben ist. Aber ein spanischer und ein britischer Premier allein machen noch keine Koalition. Das ganze Unternehmen ist auch der schlechte Versuch, die Interessen des Imperiums zu verdecken, das sich selbst mit der zerfetzten Fahne der »Demokratie« schmückt, während gleichzeitig der Wille von Millionen, wenn nicht sogar Milliarden Menschen überall auf der Welt ignoriert wird.
Wird der Antikriegsbewegung die Luft ausgehen, wenn die Bomben fallen? Einige unter euch, vor allem die »linken« Kriegsbefürworter, werden ganz sicher so argumentieren. Ich sehe es aber genau anders herum, nämlich daß die Friedenskräfte nicht erschauern sollten, wenn erst das Schreckgespenst des Krieges seine Fratze zeigt. Das Verlangen nach Frieden wird sich eher verstärken und nicht abschwächen, sobald der Krieg beginnt. Wir müssen die historischen Lehren aus der Erfahrung des Vietnamkrieges ziehen. Damals begannen die Proteste zunächst sehr langsam und schmerzvoll nach jahrelangem, knochenharten Organisieren. Tag für Tag wütete damals der Krieg in Vietnam, Laos und Kambodscha. Trotzdem wuchs die Bewegung an, wurde größer und größer, gewann an inhaltlicher Tiefe, bis keiner der Politiker im Weißen Haus - weder Nixon noch Johnson - sich den öffentlichen Forderungen länger widersetzen konnte. Eine solche Bewegung müssen wir jetzt erneut schaffen!
Die Kriegsvorwände werden immer von den willfährigen Medienkonzernen propagiert. Das müßt ihr ganz nüchtern so sehen wie es ist und eure Anstrengungen verstärken, dieses imperialistische Spiel mit dem Feuer zu beenden.
Vor einigen Monaten hat der Verfasser einen Artikel mit dem Titel »In den Krieg ziehen für das Imperium« geschrieben und darin die Meinung geäußert, daß trotz der im Artikel aufgezeigten Tendenz eine Antikriegsbewegung bezüglich des vom Capitol eingeschlagenen Weges einen Unterschied machen würde . Doch offensichtlich hat der Verfasser die Habgier, die Kriegslüsternheit und den Wahnsinn des Bush-Regimes unterschätzt. Mr. Bush hat dazu aufgerufen, die Husseins aus dem Irak zu vertreiben. Zweifelt eigentlich jemand daran, daß Millionen Menschen in den USA sich wünschen, daß auch die Bushs möglichst bald ihre Residenz in der Pennsylvania Avenue 1600 räumen?
Wenn wirklich noch jemand an die Macht der Demokratie glaubt, dann sollte die jetzige Zeit das Aufblühen einer Antikriegsbewegung hier und überall auf der Welt markieren. Wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang dieser Entwicklung. Bewegungen sind wie alle sozialen Beziehungsgeflechte einem ständigen Auf und Ab unterworfen. Aber laßt euch nicht entmutigen. Gebt nicht auf. Ganz im Sinne des ermordeten Arbeiterführers Joe Hill: »Trauert nicht - organisiert euch!«
Viele sind von der Breite und dem Anwachsen der Bewegung inspiriert worden. Sie hält möglicherweise noch einige Überraschungen für uns parat. Jetzt zählt vor allem, daß wir mit dem Herzen dabei sind. Wer an unsere Ziele glaubt, der kämpfe dafür! Es gibt keine andere Wahl.
Übersetzung: Jürgen Heiser