Kolumne vom 15.03.03: Bush an die Welt: »Fahrt zur Hölle!«

17.03.03 (von maj) Ein Generalstreik wäre die angemessene Reaktion auf die Kriegstreiber

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 63, 15./16. März 2003

Die Welt erlebte vor kurzem die größten Antikriegsdemonstrationen in der Geschichte der Menschheit, aber die Bush-Administration tut so, als hätte es sie nicht gegeben.
DasHandeln der Bush-Regierung war von Beginn an von kaum verhohlener Geringschätzung gegenüber dem Sinnen und Trachten der Welt bestimmt. Die Aushöhlung des ABM-Vertrages, die Zurückweisung des Internationalen Strafgerichtshofes, die Beleidigungen gegenüber deutschen Politikern, die sich nicht in ausreichendem Maße vor den US-Amerikanern verbeugen, wenn sie sich in ihrer Nachbarschaft herumtreiben, die offene Frankophobie, die Negation von Beschlüssen der Vereinten Nationen - das sind nur ein paar Beispiele für ein und dasselbe Thema: Die Vereinigten Staaten, die große, mächtige Bastion der Demokratie, haben das Privileg, sich nicht darum kümmern zu müssen, was die große Mehrheit der Weltbevölkerung will, ganz zu schweigen davon, was die Mehrheit der US-Bevölkerung will. Der militärisch-industrielle Komplex diktiert den Krieg - also geschehe es.
Wenn sich eine Million Menschen in der Hauptstadt des »engsten Verbündeten« der USA versammeln, um sich der Politik der eigenen Regierung entgegenzustellen, und die US-Regierung darauf nichts anderes zu tun hat, als ihre tollwütigen Kriegsbestien von der Leine zu lassen, dann zeigt das, daß »Verbündeter« nur ein Synonym für »Befehlsempfänger« ist. Mitim dem Begriff »Freund« hat das nicht im entferntesten etwas zu tun. Dem britischen Premierminister Tony Blair steht eine innerparteiliche Zerreißprobe ins Haus, die ihn zu stürzen droht. Aber was für ein Schmierentheater diese »Demokratie« ist! Sie erlaubt den Machthabern, den Willen der Mehrheit einfach zu ignorieren, obwohl sie ihn doch angeblich repräsentieren. In bester Manier eines Diktators erteilt »Herr« Bush dem Militär mit einem Kopfnicken den Marschbefehl, und er verkündet öffentlich, die Vereinten Nationen zu ignorieren, egal was sie entscheiden - es sei denn, sie würden vor seiner Imperialen Hoheit, King George II, demütig auf die Knie fallen.
Das türkische Parlament hat sich mutig gegen den Willen des US-Imperiums ausgesprochen, die Türkei zum Aufmarschgebiet für die kommenden Kriegsmassaker zu machen, und die USA beharren doch tatsächlich darauf, die Abstimmung müsse wiederholt werden! Man kann es nicht oft genug fragen: Ist das nicht zutiefst undemokratisch?
»Das Imperium schlägt zurück«? Nein, es will zuerst zuschlagen, und es droht damit, die Welt in den Abgrund zu stürzen, wenn nicht alle dem »Neuen Babylon« ihre Ehrerbietung entgegenbringen und ihm geben, was es verlangt.
Wir stehen an der Schwelle zu einem Krieg, der nicht so bald enden wird. In Wahrheit stehen wir sogar an der Schwelle zu einem Weltkrieg, falls nur ein paar Kleinigkeiten sich auf desaströse Weise in die falsche Richtung entwickeln.
In Hunderten von Städten auf allen sechs Kontinenten, von Kuala Lumpur bis Ramallah, von Seoul bis Seattle, von London bis Leningrad, ging in einer ohrenbetäubenden Lautstärke eine simple Botschaft um die Welt: »NO WAR!« Aber das Weiße Haus ist schalldicht abgeschottet (außer für klingende Münze, die ihm von Waffenhändlern oder Lobbyisten der Rüstungsindustrie in die Taschen gesteckt wird), und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist taub. Die Mitglieder der Regierung, von der Abraham Lincoln einst sagte, sie sei »aus dem Volk, durch dasVolk und für dasVolk«, verschließen ihre Ohren vor dem Volk, weil aus seinen Mündern nicht das kommt, was die Herren hören wollen.
Was ist notwendig, das zu ändern? Es ist klar, daß weitaus mehr passieren muß als was bisher geschehen ist. Demonstrationen sind ein mächtiger Indikator für das öffentliche Bewußtsein, aber reicht das allein aus in einem Staat, der zutiefst undemokratisch ist und von Kräften bestimmt wird, die hinter den Kulissen wirken? Die Antwort mag in der wenig genutzten sozialen Kraft der Gewerkschaftsmacht zu finden sein. Die vor kurzem veröffentlichte Stellungnahme des AFL-CIO (einer Föderation von Gewerkschaften der USA, Kanadas, Mexikos und Panamas) gegen den Krieg ist äußerst bemerkenswert, das Bush-Regime ging aber völlig über sie hinweg. Was aber würde passieren, wenn von allen Mitgliedsgewerkschaften des AFL-CIO ein Generalstreik gegen den drohenden Krieg ausgerufen würde?
Solche Schritte werden notwendig sein, um die Kriegsbestien zurück in ihre Käfige zu treiben, ehe sie, wie es Dr. Nelson Mandela gesagt hat, einen modernen »Holocaust« über die Welt bringen.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 20.04.2024 um 01:55:59 Uhr