Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 164 vom 18. Juli 2022: Bitte HIER klicken![1]
Ein Blick ins Weiße Haus genügt
Als Teil ihres lächerlichen »Kriegs gegen den Terrorismus« haben die USA die Belohnung zur Ergreifung Assata Shakurs erhöht. Sie wollen das ehemalige Mitglied der Black Panther Party und der Black Liberation Army, dem seit 1984 politisches Asyl in Kuba gewährt wird, wieder in einem US-Knast sehen. Zur Rechtfertigung dieses modernen Sklavenkopfgelds brandmarkten Justizbeamte aus New Jersey Assata als »Terroristin«.
Was wirklicher Terrorismus ist, wissen die US-Amerikaner nur zu gut, denn diese Nation ist auf Terror gegründet worden. Der Spruch »Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer« beweist es. Er ist ein Erbe aus der Zeit, als solche finsteren Gedanken zum Völkermord an den Indigenen führten, nachdem diese die hungernden Aussiedler aus Europa, sofern sie die Atlantiküberquerung überlebt hatten, freundlich aufgenommen, ihnen zu essen gegeben und sie geheilt hatten. Doch die weißen Siedler dankten es ihnen mit furchtbarer Gewalt, mit Terror, egal, ob sie rote, schwarze, braune oder gelbe Haut hatten. Das ist die wahre Geschichte der Vereinigten Staaten, verdeckt unter der Lüge der Unabhängigkeitserklärung von 1776, dass »alle Menschen gleich erschaffen worden sind«.
Als Assata Shakur mit ihren Genossen Zayd Malik Shakur und Sundiata Acoli auf dem New Jersey Turnpike von Polizisten in einer angeblichen Verkehrskontrolle gestoppt wurden, waren sie Opfer des ungeschriebenen Gesetzes, wonach es grundsätzlich verdächtig ist, wenn »Schwarze hinter dem Steuer« sitzen. Zayd wurde erschossen, Assata zweimal getroffen, und Sundiata gelang kurz die Flucht. In einem Akt der Arroganz klagten die Terroristen der US-Justiz Assata am Ende nicht nur wegen Mordes an dem Polizisten an, der sie töten wollte, sondern sie sollte auch für den Tod von Zayd bestraft werden.
Die Hölle der Schauprozesse in verschiedenen US-Bundesstaaten, die Assata dann erlebte, beschrieb ihre Tante und Anwältin Evelyn Williams in ihrem Buch »Inadmissible Evidence« (»Unzulässige Beweise«). Es ging zu wie im rassistischen Süden, obwohl die Prozesse in New Jersey und New York stattfanden. Ausschließlich weiße Geschworene und Richter, die nicht einmal vorgaben, fair und unparteiisch zu sein, mussten Assata jedoch von fast allen Anklagen freisprechen, weil es keine Schuldbeweise gab. Verurteilt wurde sie nur wegen der Polizeiattacke, die sie fast ihr Leben gekostet hätte. Als sie 1977 im letzten Prozess in Middlesex, New Jersey, zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, war klar, dass nicht der angebliche Mord, sondern ihre politische Gesinnung bestraft wurde. Diese Frau als »Terroristin« abzustempeln, stellt alles auf den Kopf, denn sie war es, die von der Lynchjustiz terrorisiert wurde, weil sie rebelliert hatte.
Es passt, dass ich diese Botschaft am 13. Mai 2005 verfasst habe, auf den Tag genau 20 Jahre nach dem Bombenanschlag der Polizei auf das Move-Haus in Philadelphia. Bis heute hat nur Ramona Africa, selbst Oper dieser Attacke, im Gefängnis gesessen. Was ist mit den Cops, die unbewaffnete Kinder und Erwachsene ermordet haben? Was mit den Politikern, die diese Höllenhunde des urbanen Krieges von der Kette gelassen haben? Wie Ramona wurde auch Assata ins Gefängnis geworfen, weil sie es gewagt hatte zu überleben.
Kubas tapferer Präsident Fidel Castro reagierte umgehend auf den Vorstoß der US-Justiz, verurteilte dieses moderne Sklavenkopfgeld und nannte Assata eine politische Gefangene. Seit Jahrhunderten hat nichts weiße Amerikaner so wütend gemacht wie die Flucht von Sklaven. Assata zeigt, dass das nicht nur ferne Historie ist. Das Imperium stuft sie als »Terroristin« ein, weil sie ihre Ketten abstreifte und sich aus brutaler Gefangenschaft befreite. Was die wirklichen Terroristen angeht, sollte es nicht schwer sein, sie zu finden. Ein Blick ins Weiße Haus genügt.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Diese Botschaft Abu-Jamals gelangte am 13. Mai 2005 per Telefon aus dem Todestrakt des Staatsgefängnisses in Waynesburg, Pennsylvania, an die Öffentlichkeit. Alle Versuche der US-Justiz, Assata Shakur zu ergreifen, blieben seit ihrer Flucht 1979 erfolglos. Nach 43 Jahren in Freiheit konnte sie am Sonnabend in Kuba ihren 75. Geburtstag feiern. (jh)