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»Geschichte eines großen Unrechts«
In Frankreich ist es auf Initiative des französischen Solidaritätskollektivs »Libérons Mumia« zu einer weiteren Ehrung des US-Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal gekommen. Bereits 2003 war Abu-Jamal zum Ehrenbürger von Paris ernannt worden, Straßen in mehreren Orten tragen seinen Namen. Am Freitag meldete Prison Radio, dass sein Enkel Jamal Jr. bereits am 4. Juni als Leiter einer US-Delegation an der Einweihung zweier Wandgemälde teilgenommen habe. Die Fresken zeigen Abu-Jamal, den seit über 40 Jahren in den USA inhaftierten politischen Gefangenen, sowie den südafrikanischen Freiheitskämpfer Nelson Mandela, der Jahrzehnte in den Kerkern des weißen Apartheidregimes eingesperrt war.
Der Stadtrat des südlich von Paris gelegenen Vororts Villejuif habe vier Künstler mit dem Bemalen des Eingangs der zentral gelegenen Metrostation Villejuif – Léo Lagrange mit Porträts seiner beiden Ehrenbürger beauftragt, sagte Noelle Hanrahan von Prison Radio am Sonnabend gegenüber jW. Anlässlich der offiziellen Übergabe der Kunstwerke ließ Villejuifs Bürgermeister Pierre Garzon (Kommunistische Partei Frankreichs) keinen Zweifel aufkommen, warum gerade Abu-Jamal geehrt wird, der 1982 unter dem Konstrukt eines »Polizistenmordes« zum Tode verurteilt worden war: »Mumias Geschichte ist die eines großen Unrechts und eines Mannes, der verurteilt wurde, weil er schwarz ist!« hieß es in einem auf dem Portal mumiabujamal.com veröffentlichten Bericht. Gewählte Vertreter des Stadtparlaments applaudierten ebenso wie die Streetartkünstler Artis, Meushay, Nebay und Tore, Mitglieder des Kollektivs »Libérons Mumia« und Einwohner der Stadt, darunter viele Kinder, die auf Bitte des Bürgermeisters von den Künstlern in ihr Schaffen einbezogen worden waren.
»Libérons Mumia«-Sprecherin Claude Guillaumaud würdigte das Engagement der Stadt für die Verteidigung der Menschenrechte. Ihr Mitstreiter Jacky Hortaut berichtete, er sei gerade vom 31. Kongress der Internationalen Journalistenföderation zurückgekehrt, der Anfang Juni in der omanischen Hauptstadt Maskat getagt hatte. Dort hätten 250 Delegierte von Mediengewerkschaften aus 92 Ländern gegen die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange protestiert und »einen offenen Brief an den Gouverneur von Pennsylvania unterzeichnet, in dem die Freilassung des Kollegen Abu-Jamal gefordert« wurde.
In seiner Dankesrede sagte Jamal Jr., Kunst sei »unsere stärkste Waffe in diesem Kampf für die Freiheit«. Sie inspiriere Menschen. Siegen könne man jedoch nur, »wenn wir auch kämpfen«, betonte er mit Blick auf die Gesellschaft, die sich »in einem Schwebezustand der Lähmung zwischen Moral und Handeln« befände. Diese Untätigkeit werde »im geopolitischen Kontext von den Kriegstrommeln des Kapitalismus verstärkt«. »Wir müssen die Menschen wachrufen und daran erinnern, dass sie Macht haben, und sie an ihren Daseinszweck erinnern, eine bessere Welt an ihre Nachkommen zu übergeben.«
Sein Großvater sei schon länger im Gefängnis, als er lebe, sagte Jamal Jr., deshalb betrachte er es als seine Aufgabe, ihn »aus diesem rassistischen gefängnisindustriellen Komplex herauszuholen«. Abu-Jamal sei »ein Opfer des Rassismus und der Korruption der Polizei« in Philadelphia. Zum Schluss seiner Rede hielt Jamal Jr. sein Handy ans Mikrofon und spielte eine Grußbotschaft ab, die sein Großvater auf Französisch gesprochen hatte: »Meine Freundinnen und Freunde, ohne euer Handeln wäre meine Stimme längst verstummt. Ich danke euch im Namen meiner ganzen Familie. Setzen wir den Kampf gemeinsam fort!« Unter tosendem Applaus versprach Jamal Jr., sobald sein Großvater freikäme, werde er erneut nach Frankreich kommen. Damit das Wirklichkeit wird, fänden am 3. Juli, dem 40. Jahrestag der Verurteilung Abu-Jamals, weltweit Aktionen für seine Freilassung statt.
Jürgen Heiser