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Zaudern nicht angesagt
Die Londoner Initiative »Free Mumia Abu-Jamal Campaign UK« hatte für Sonnabend 18 Uhr unter dem Titel »Free Mumia Now!« zu einer internationalen Videokonferenz geladen. Ausgangspunkt war die Freiheitskampagne für den seit fast 40 Jahren in den USA einsitzenden Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal. Wegen seiner gesundheitliche Situation, die weiter zu Besorgnis Anlass bietet, kann der jW-Kolumnist derzeit nur reduziert arbeiten. Nach Coronainfektion und Herzoperation bedürfe seine Behandlung »absolut genauer medizinischer Überwachung«, mahnte Noelle Hanrahan vom US-Projekt Prison Radio. In ihrem aufgezeichneten Gespräch mit dem Enkel Jamal Jr. über die Situation seines Großvaters sagte dieser, es gehe nicht an, »überall ›Black Lives Matter‹ zu propagieren, aber nicht alles dafür zu tun, Mumias Freiheit zu erkämpfen«. Sein Großvater sei »der weltweit bekannteste politische Gefangene, weil sein Prozess so ungerecht war«.
Die Initiatoren der Onlinekonferenz wollten ganz im Sinne Abu-Jamals die Aufmerksamkeit auf die Lage der »politischen Gefangenen des Imperialismus« insgesamt lenken. Zwar sind die gesellschaftlichen Bedingungen jeweils sehr unterschiedlich, aber Gewalt, Isolationshaft und andere Formen der Folter und Menschenrechtsverletzungen sind für die Betroffenen mehr oder weniger gleich. Sie werden Jahrzehnte weggesperrt und aller Rechte beraubt. Das zeigte sich in der Gesamtschau der dramatischen Berichte der aus unterschiedlichsten oppositionellen und Befreiungsbewegungen stammenden Gefangenen, egal ob in den von Israel besetzten Gebieten Palästinas, den Isolationszellen Perus oder der Türkei. In den »von den Briten besetzten sechs Grafschaften Nordirlands« kämpfen auch heute irisch-republikanische Gefangene immer noch gegen ihre Diffamierung als »Kriminelle«. Wie vor 40 Jahren, als Bobby Sands und neun weitere Gefangene beim Kampf um ihre Anerkennung als politische Gefangene im Hungerstreik starben. Das passiere »hier immer noch vor unserer Haustür«, so der Moderator des Abends.
Das vierstündige Onlinetreffen war vom Londoner Mumia-Komitee als Auftakt gedacht, die Diskussion unter jenen Kräften wieder in Gang zu setzen, die in Europa und den USA vor allem in den 90er bis frühen 2000er Jahren breite Solidaritätskampagnen für Abu-Jamal auf die Beine gestellt hatten, aber seit etwa zehn Jahren darum kämpfen, ihre reduzierten Kräfte in kleinen Gruppen und Netzwerken zu bündeln. Doch Zaudern sei trotz relativ schwacher Kräfte nicht angesagt, schloss die britische Frauenrechtlerin Selma James ihren Beitrag. Die Zeit sei reif zum Handeln, »egal ob wir im Gefängnis sind oder nicht!«
Jürgen Heiser