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Unmenschliche Lebensbedingungen
Als die US-Gefangene Naykima Hills sich Mitte April 2021 telefonisch beim Projekt Prison Radio in San Francisco meldete, konnte sie nicht ahnen, dass sie mit ihrem Anruf eine Flut von weiteren Berichten von Augenzeuginnen auslösen würde, »die die entsetzliche Realität des täglichen Lebens in der Frauenhaftanstalt Women’s Huron Valley Correctional Facility (WHV) in Ypsilanti, Michigan,« bestätigten. Das berichtete der jüngste Newsletter von Prison Radio vom 22. Juni unter Bezug auf Aussagen der Gefangenen India Porter, Auroniece Jackson, Sharon Hinojosa und Bria Blackmon. Die Strafanstalt sei »überfüllt und die Beamten korrupt«. Die Hafträume seien von Schimmel befallen, der »überstrichen, statt beseitigt« werde. Die Lebensbedingungen dort seien »einfach unerträglich«. Hautkrankheiten wie Krätze seien an der Tagesordnung, so die Gefangene Jackson. Die gesundheitliche Situation der inhaftierten Frauen in der einzigen Strafanstalt Michigans sei »ein Alptraum«. Dazu trügen »überalterte Lüftungsanlagen in einem baufälligen Gebäude mit undichten Dächern« bei. Durch das verstopfte Belüftungssystem gebe es nicht den notwendigen Luftaustausch.
»Wir bekommen keine Frischluft, weil die Öffnungen des Belüftungssystems mit Staub, Milben, toten Insekten und vielem anderen verstopft sind.« Die legen sich »wie ein fester Filz vor die Öffnungen«. Dazu komme ein permanenter Warmwassermangel, da defekte Warmwassertanks nicht ordnungsgemäß ersetzt würden. Nicht duschen zu können, sei gerade unter den Bedingungen einer völligen Überbelegung der Anstalt eine krasse Haftverschärfung. Zusätzlich sei das Trinkwasser mit Schimmelpilzen kontaminiert, so dass sogar einige Beamtinnen des Wachpersonals die Inhaftierten davor warnten, es zu trinken. Ihnen bliebe folglich nur die Alternative, »Dehydrierung in Kauf zu nehmen oder das potentiell gefährliche Wasser zu trinken«.
Laut Prison Radio sei das WHV allgemein »eine feindselige Umgebung, in der es oft zu Misshandlungen« käme. Wie die Gefangene Blackmon berichtet, behandele das Wachpersonal die Frauen, »als wären wir keine Menschen«. Sie würden rassistisch und sexistisch »erniedrigt und belästigt«, ergänzte Jackson. Außerdem sei einer der Kerngedanken der Covid-19-Prävention, die soziale Distanz, unmöglich, »weil wir einfach zu viele sind«.
Das Gefängnis war ursprünglich für 1.100 Frauen im Normalvollzug ausgelegt. Presseberichten zufolge war es jedoch bereits 2018 mit 2.100 Frauen überbelegt. Die Detroit Free Press berichtete damals über Beschwerden von Anwälten, Michigans Gefängnisbehörde habe die anfängliche Kapazität seit 2010 »künstlich um mehr als 500 Haftplätze erhöht, indem immer mehr Räume, die ursprünglich für den Tagesaufenthalt der Inhaftierten, für Sozialprogramme und Fitnesstraining vorgesehen waren, in Hafträume umgewandelt wurden«. Dabei seien Bauvorschriften verletzt und die Hygiene- und Belüftungsprobleme erzeugt worden. Heute leben im WHV rund 2.200 Frauen.
Die unmenschlichen Bedingungen dort haben nun auch Abgeordnete des Parlaments von Michigan alarmiert. Prison Radio erwähnte eine kürzlich abgehaltene Pressekonferenz der Senatorin Erika Geiss, in der sie die Zustände anprangerte und einen Gesetzentwurf vorlegte, um Abhilfe zu schaffen. Sowohl die Gefängnisbehörde als auch das Anstaltspersonal verheimlichten weiterhin »vorsätzlich die Wahrheit über diese Zustände vor der Außenwelt«, so Prison Radio. Auroniece Jackson bestätige, dass ihre ohnehin begrenzten Möglichkeiten der Kommunikation mit den Angehörigen eingeschränkt würden, »um die Missstände zu vertuschen«. Fernsehprogramme, die »Informationen über das Gefängnis senden«, würden abgeschaltet.
Prison Radio kündigte deshalb an, künftig mehr über die Lage der Frauen im US-Gefängnissystem zu berichten. Die Berichte aus dem WHV unterstrichen »die Bedeutung und den Mut unserer Knastkorrespondentinnen«. Sie allein deckten die Wahrheit über die Zustände in Michigans Frauengefängnis auf. »Jetzt ist es an uns, unseren Teil dazu beizutragen«, so die Radiomacherinnen.
Jürgen Heiser