Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 123 vom 31. Mai 2021: Bitte HIER klicken![1]
Ein halbes Jahrhundert in Ketten
Nicht vielen wird der Name Romaine »Chip« Fitzgerald heute noch geläufig sein, ausgenommen seine langjährigen Unterstützer. Es ist Jahrzehnte her, dass Chip in seinen ungestümen Jugendjahren in Los Angeles Mitglied einer Ortsgruppe der »Black Panther Party« wurde. Er trat ihr nach Absitzen einer kurzen Jugendstrafe mit 17 Jahren bei. Diese Jahre seiner Jugend waren wild, weil die 1960er Jahre insgesamt eine wilde Zeit in der Geschichte waren. Eine Zeit, in der es schien, als würde die ganze Welt in Flammen stehen. Chip stammte aus dem schwarzen Stadtteil Watts von Los Angeles, wo er sich als Teenager einer Gruppe wilder Jungs anschloss, die viel Unfug machten. Das brachte ihn schließlich in eine Besserungsanstalt der staatlichen Jugendbehörde.
Weil Chip gegen seine Lage rebellierte, wurde er mehrfach isoliert. In der Stille der Einzelhaft las er viel über die schwarze Freiheitsbewegung und war von ihr fasziniert. Diese Artikel weckten sein Interesse an der »Black Panther Party«, der sicherlich kühnsten der schwarzen Freiheitsbewegungen in der Ära der 1960er Jahre.
Nach seiner Entlassung Anfang 1969 trat Chip auch formell der militanten revolutionären Organisation bei. Er bewegte sich in der Partei wie ein Fisch im Wasser. Er unterstützte tatkräftig das »Free Breakfast«-Programm, das Kinder jeden Morgen mit einem kostenlosen Frühstück versorgte, verkaufte die Zeitung The Black Panther und wirkte auch bei anderen Programmen der Partei mit. Nach Aussagen von Panthers, die der Partei etwa zur gleichen Zeit beitraten, galt Chip als begeistertes Mitglied, und was noch wichtiger war, seine Mutter war sehr stolz auf ihn und unterstützte sein neues Engagement zur Verbesserung der Lage der schwarzen Gemeinde.
Aber gute Zeiten bleiben nicht immer gut. 1969 wurde Chip unter dem Vorwurf verhaftet, an zwei Schießereien beteiligt gewesen zu sein, bei denen ein Mensch starb. Für ihn bedeutete es für sehr lange Zeit die Rückkehr ins Gefängnis. Die Anschuldigungen gegen ihn waren Ausdruck der fanatischen Antipathie der Justiz des US-Bundesstaates Kaliforniens gegenüber allen Black Panthers, und sie führten am Ende dazu, dass Chip 52 Jahre lang eingesperrt war, obwohl ihm schon seit 1976 das Recht zugestanden hätte, auf Bewährung entlassen zu werden. Ende März 2021 starb er in einem kalifornischen Krankenhaus an den Folgen eines schweren Schlaganfalls. Die Behörden hatten ihn, obwohl er kaum bei Bewusstsein war, auf erniedrigende Weise in seinem Bett fixieren lassen.
Er war der am längsten inhaftierte Ex-Black-Panther der Vereinigten Staaten von Amerika. Romaine »Chip« Fitzgerald starb kurz vor seinem 72. Geburtstag und kehrte nach über einem halben Jahrhundert in Ketten am 28. März zu seinen Vorfahren zurück.
Übersetzung: Jürgen Heiser
»Im Namen der Familie und des Committee To Free Chip« veröffentlichte das Solidaritätskomitee einen Nachruf, in dem es hieß, dass »Chip eine Woche lang, kaum bei Bewusstsein, in einer Klinik in Los Angeles darum kämpfte, sein Leben zu verlängern (…) Mit seiner Stärke und seinem Lebenswillen trotzte er den Ärzten, die sagten, er würde die Nacht nicht überstehen.« Er habe »bis zu seinem letzten Atemzug« gekämpft und sei so gestorben, »wie er gelebt hatte«. Chip habe niemals Kompromisse gemacht und habe bis zum Ende darum gerungen, »Wiedergutmachung für das erlittene ungeheuerliche Unrecht zu erreichen«. Gemeinsam »mit seinem Anwalt, seiner Familie und den Verteidigungskomitees wollte er seinen ein halbes Jahrhundert dauernden Alptraum eines langsamen Todes hinter Gittern beenden«. Was seine Gegner nicht verstanden hätten, sei die Tatsache, »dass man den Geist der Befreiung weder einsperren noch fesseln« könne. »Für uns, die Lebenden, ist Chips Tod eine Lektion, weiter für das Gute zu kämpfen. (…) Möge Chips unerschütterliches Beispiel uns den Mut geben, den SIeg zu wagen. Alle Macht dem Volke! Freiheit für die politischen Gefangenen!« (jh)
freedom4chip.org/[2]